Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, neuromuskuläre Erkrankungen, Schocklunge, Tuberkulose – Wer unter derartigen Krankheiten leidet, muss oft künstlich beatmet werden. Und spätestens seit dem Corona-Jahr 2020 ist klar: Erkrankungen, die die Lunge betreffen, können schnell gefährlich werden.
Was aber passiert, wenn der Patient nach seinem Krankenhausaufenthalt zurück ins Leben finden möchte – wieder ein Leben ohne Beatmungsmaschine führen möchte? Dann ist eine professionelle Entwöhnung wichtig, das sogenannte Weaning.
Hierfür gibt es spezielle Einrichtungen wie die der Zentralklinik Bad Berka. Das sogenannte Weaning-Zentrum ist deutschlandweit bekannt und in Thüringen das einzige, das von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zertifiziert ist.
Rund 50 Patienten betreut das interprofessionelle Team hier pro Jahr. Die Patienten werden von Kliniken aus ganz Thüringen und dem benachbarten Unter- und Oberfranken überwiesen. Das Durchschnittsalter ist hoch und liegt bei etwa 70 Jahren. „Aber wir haben auch jüngere Patienten, etwa mit Querschnittslähmungen“, sagt der Chefarzt der Klinik Pneumologie der Zentralklinik Bad Berka, Dr. Michael Weber.
„Weaning kommt aus dem Englischen und lässt sich mit Abstillen übersetzen. Es geht darum, die Patienten von der Beatmungsmaschine zu entwöhnen“, erklärt er im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog.
Meist betrifft dies Menschen mit Lungenvorerkrankungen, wie zum Beispiel einer schweren Lungenentzündung, oder auch Patienten, die nach Operationen komplizierte Krankheitsverläufe aufweisen. Also diejenigen, die nicht ohne Komplikationen von der Beatmung entwöhnt werden können. „Normalerweise werden Menschen, die operiert worden sind, schon im Aufwachraum extubiert, also vom Beatmungsschlauch getrennt. Sie atmen dann in der Regel schnell wieder eigenständig“, so Dr. Weber.
Den Patienten, denen das nicht gelungen ist und die lange Zeit auf eine künstliche Beatmung angewiesen waren, hilft man im Weaning-Zentrum wieder eigenständig zu atmen und die Muskulatur zu kräftigen.
Hierfür führen die verschiedenen Experten des Weaning-Zentrums in Bad Berka mit dem Patienten ein speziell konzipiertes Trainingsprogramm durch. Erstes Ziel sei der Muskelaufbau, erklärt Dr. Weber. Dem Patienten werden immer längere Eigenatmungsphasen zugemutet, um die eigenständige Nutzung der Atmungsmuskulatur zu fördern.
Am Anfang können die Patienten manchmal nur zwei oder drei Minuten selbstständig atmen. Mit zunehmender Stärkung der Muskulatur kann dies allerdings weiter gesteigert werden. „Das lässt sich mit dem Intervalltraining eines Sportlers vergleichen“, sagt der Chefarzt. Dazwischen wird der Patient weiterhin künstlich kontrolliert beatmet und kann sich so von der oft anstrengenden Trainingsphase erholen.
Das Entwöhnprogramm, das die Betroffenen in Bad Berka in Zimmern mit Blick ins Grüne durchlaufen, dauert im Schnitt zwei bis drei Wochen. Es besteht vor allem aus regelmäßigen Atemtrainingseinheiten, Physiotherapie und aufbauender Ernährung. Ein wichtiger Teil der Arbeit der Therapeuten ist auch das sogenannte Sekretmanagement: Der natürliche Schleim, den die Lunge produziert, kann aufgrund unzureichender Kraft nicht mehr eigenständig abgehustet werden. Um Infektionen zu verhindern, muss dieser beim Beatmungspatienten häufig durch das betreuende Team entfernt werden.
Während der ersten „Corona-Welle“ im Frühjahr 2020 wurden am Weaning-Zentrum auch an Covid-19 Erkrankte behandelt. Im Rahmen der aktuellen Entwicklung der Corona-Neuinfektionen sind schlimme Covid-19-Verläufe in Bad Berka bisher glücklicherweise ausgeblieben. „Im Moment werden diese Patienten auf der Normalstation betreut oder sind zumindest nicht beatmungspflichtig“, sagt Dr. Weber.
Ihr Experte für Lungenheilkunde:
Dr. Michael Weber
Chefarzt der Klinik für Pneumologie an der Zentralklinik Bad Berka