Wenn Dr. Thomas Jankowski arbeitet, tut er das immer häufiger mit einem besonders verlässlichen und 24 Stunden im OP vorzufindenden Kollegen: dem da-Vinci-Roboter.
Seit August 2022 unterstützt das High-Tech-Gadget kalifornischer Bauart den Urologen und sein Team im Zentral-OP des Gesundheits-Campus Klinikum Frankfurt (Oder), unter anderem bei komplexen Prostata- und Niereneingriffen, die dank der neuen Technologie sehr schonend stattfinden können.
Dr. Jankowski hat ein langes, intensives Roboter-Training hinter sich, erzählt er im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog. Und dann war er offiziell zertifizierter „da-Vinci-Operateur“.
Uns beschreibt der Mediziner, wie genau sein technischer Helfer funktioniert, wie er während der OP unterstützt, und wie die Patient:innen das Mensch-Roboter-Teamwork so finden.
Herr Dr. Jankowski, braucht es Sie als Arzt noch, oder kann Ihr Kollege „da Vinci“ alleine arbeiten?
(Lacht) Noch wird er tatsächlich von uns Ärzt:innen gesteuert. Aber er ist ein toller Helfer, das muss man neidlos anerkennen.
Erklären Sie das Gerät doch mal!
Unser da-Vinci-Roboter setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen. Zum einen ist da die OP-Konsole, über die der Operierende den Roboter steuert. Ich schaue da in ein spezielles Okular, über das ich den inneren Bauchraum dreidimensional sehen kann. An der Konsole habe ich zwei Hebel.
Mit ihnen kann ich die vier Roboterarme per Hand bedienen. Das bedeutet, dass der da-Vinci dann meine Bewegungen eins zu eins nachahmt. Das ist quasi der zweite Teil des Geräts, das sogenannte Instrumentenstativ. Es ist mit einem Hightech-Kabel mit der Konsole verbunden. Die vier Roboterarme werden an den Bauch der/des Patient:in quasi „angedockt“. Sie steuern dann Instrumente, die sich im Bauchraum befinden.
Was kann das zum Beispiel sein?
Eine Schere, oder auch Greif-Instrumente. Das dritte Element ist der Laparoskopie-Turm, an den Steuerelemente wie die Optik angesteckt werden, und an dem sich auch der Stromgenerator befindet. Außerdem ist ein Monitor für die Operationsassistenz angebracht.
Wie kann man sich das Operieren mit dieser Technologie vorstellen?
Noch intuitiver wäre tatsächlich nur noch, wenn der Roboter meine Gedanken lesen könnte (lacht). Es ist wirklich eine erstaunliche Technologie, die jede einzelne meiner Hand-Bewegungen genauestens nachahmt.
Ist so ein Roboter besser als menschliches Personal?
Prinzipiell muss man sagen, dass die menschliche Hand ziemlich groß ist. Und früher musste man in kleine Ecken des menschlichen Körpers mit der ganzen Hand hineingehen. Was natürlich oftmals sehr schwierig war. Unter anderem auch, weil man nur eine begrenzte Sicht und begrenzt Platz hatte. Der Roboter dagegen hat Instrumente, die sehr, sehr klein sind. Eine Schere hat zum Beispiel eine Größe von nur 1,5 Zentimetern. Das hat zur Folge, dass die gesamte Operation wesentlich gewebeschonender ablaufen kann.
Und welche Rolle spielt die Optik?
Durch sie können wir, dank der Vergrößerung, fast wie unter einem Mikroskop operieren. Die 3D-Ansicht sorgt dafür, dass wir als Operateure uns quasi wie im Inneren des Bauchraums fühlen. Früher war hier eine Assistenz nötig, die die Optik händisch führen musste. Heute bediene ich alle vier Roboterarme komplett alleine. Und sogar ein eventuelles menschliches Händezittern kann vom System automatisiert ausgeglichen werden.
Das heißt, dass Sie, mal abgesehen vom Roboter, alleine im OP sind?
Nicht ganz. Ich sitze zwar alleine an der Konsole, zwei bis drei Meter vom OP-Tisch entfernt, habe allerdings Unterstützung durch eine ärztliche Assistentin oder einen ärztlichen Assistenten. Sie oder er sitzt neben der zu operierenden Person, dockt die Roboterarme an und ab, wechselt Instrumente – und muss dementsprechend steril sein. Der Operateur selbst hingegen nicht. Mit einer guten Internet-Verbindung könnte ich theoretisch also auch von Indien aus operieren. Ich habe tatsächlich von solchen Fällen gehört.
Das hört sich nach Revolution im OP an…
Bei uns in der Klinik war es eher eine Evolution. Eine Revolution war es allerdings vor einigen Jahren. Damals war der Roboter noch ziemlich primitiv, und nicht so ausgefeilt wie heute. Der da-Vinci-Roboter, den wir hier haben, ist der derzeit neueste, den es auf dem Markt gibt. Während in vielen deutschen Kliniken noch offen operiert wird, können wir an unserem Klinikum sehr viel schonendere Operationen anbieten. In den USA, Großbritannien, Skandinavien, Japan oder Taiwan ist das bei Prostata- und anderen urologischen Eingriffen längst Standard, hierzulande allerdings noch nicht.
Woran könnte das liegen?
Es gibt offenbar noch zu wenig Operateure, die speziell zur Bedienung des da-Vinci-Roboters ausgebildet sind.
Wo haben Sie die Bedienung gelernt?
In Gronau in Nordrhein-Westfalen, am größten Zentrum für sogenannte Robotische Chirurgie in Europa. Zusätzlich habe ich Fortbildungen in Belgien und in Frankreich gemacht.
Und wie lange ist der Roboter auf dem Gesundheits-Campus Klinikum Frankfurt (Oder) schon im Dienst?
Seit dem 1. August 2022. An diesem Tag haben wir die ersten Patient:innen operiert, mittlerweile tun wir das jede Woche mehrfach.
Bei welchen Krankheitsbildern setzen Sie auf den Roboter?
Zum einen bei der Operation des Prostata-Karzinoms, dem häufigsten Tumor bei Männern in Deutschland. Darüber hinaus führen wir auch rekonstruktive Verfahren wie Nierenbeckenplastiken und Harnleiter-Neueinpflanzungen durch. Des Weiteren kommt der Roboter bei Nierenentfernungen, Nierenteilentfernungen bei Nierentumoren als auch bei Lymphknotenentfernungen in unserer Klinik zum Einsatz. All das geschieht dank des Roboters wie gesagt minimal-invasiv, also sehr gewebeschonend. Ab dem kommenden Jahr werden wir auch Harnblasen bei Harnblasenkarzinomen entfernen, und als Ersatz mit dem Roboter künstliche Blasen aus Dünndarm bilden.
Wie reagieren denn Ihre Patient:innen, wenn Sie sagen, dass ein Roboter bei der Operation mitmischt?
Meistens sehr positiv. Ich merke, dass die allermeisten Menschen eine Affinität und auch ein Vertrauen in moderne Technik und den Fortschritt der Medizin haben. Ich würde sogar sagen, dass viele unter ihnen gezielt nach solchen modernen Operationsmethoden suchen. Einfach weil sie sich dadurch die bestmögliche Behandlung erhoffen. Und wenn gewebeschonende Behandlungen wie die anhand des Roboters zur Verfügung stehen, wollen die meisten auch gar keine offenen Operationen mehr. Was natürlich völlig verständlich ist.
Menschen fragen also tatsächlich direkt nach dem Roboter?
Ja. Ich höre immer wieder: „Ich möchte mit dem da-Vinci operiert werden!“ Alle anderen sind meist schnell von den Vorteilen einer solchen modernen Operation überzeugt, gerade dann, wenn man die Vorteile aufzeigt, also zum Beispiel die Möglichkeit des Erhaltens der Kontinenz nach Entfernungen der Prostata. Dies zu gewährleisten, war früher bei den offenen Operationen wesentlich schwieriger. Allein das ist für die Menschen, die wir hier operieren, ein wesentliches Plus an Lebensqualität nach der OP.
Und ist die Resonanz auch nach den Operationen noch positiv?
Auf jeden Fall. Die meisten Patient:innen sind erstaunt, wie schnell sie nach dem Eingriff wieder auf den Beinen sind. Mittlerweile können wir die Menschen meist schon nach vier Tagen nach der Operation nach Hause entlassen. Das ist nur möglich, weil all die Eingriffe wie gesagt gewebeschonend stattfinden. Auch die Wundheilung läuft dadurch schneller ab.
Ihr Experte für Urologie:
Dr. Thomas Jankowski
Leitender Oberarzt der Klinik für Urologie am Gesundheits-Campus Klinikum Frankfurt (Oder) und Leiter der Sektion für roboterassistierte (da-Vinci-) Chirurgie in der Urologie