Moutainbiken, Klettern, Snowboarden oder Paragliden – Outdoorsportarten boomen. Doch sie bergen ein hohes Verletzungsrisiko. Am Campus Bad Neustadt sind Experten auch für komplexe Verletzungen vorbereitet.
Statt wie andere gemütlich mit der Familie bei Kaffee und Kuchen zu sitzen, schwingt sich Leonhard Putzenlechner lieber auf sein Motorcross-Bike. Der 28-Jährige liebt Action und die Natur. Meist zieht es ihn dann auf sein Mountainbike, auf die Downhill-Tracks im Fichtelgebirge oder im Bayerischen Wald: Mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde bergab durch unwegsames Gelände. Hin und wieder steigt Putzenlechner jedoch auch in den Motorradsattel – so wie an jenem Ostersonntag.
Putzenlechner weiß mit Zweirädern umzugehen: im Mountainbike Enduro, einer spezielle Radsportdisziplin, ist er ehemaliger Deutscher Meister, seit fünf Jahren fährt er zu Trainingszwecken zusätzlich Motorcross. Doch diesmal schätzt er eine Unebenheit im Boden falsch ein. Bei 40 Stundenkilometern verliert er die Kontrolle über sein Bike und stürzt. Die Folge: ein komplizierter Trümmerbruch der Fußwurzelknochen.
Leonhard Putzenlechner ist nicht der Einzige, der gerne an seine Grenzen geht. Outdoorsportarten wie Mountainbiken, Klettern, Paragliden oder im Winter Snowboarden erfreuen sich seit Jahren wachsender Beliebtheit. Die Sportler zieht es dann vor allem in die landschaftlich für solche Freizeitaktivitäten prädestinierten deutschen Mittelgebirge wie die Rhön. Viele unterschätzen dabei die Risiken dieser Trendsports – besonders Anfänger. 929 mal war das Deutsche Rote Kreuz (DRK) 2019 allein wegen Mountainbike-Unfällen im Einsatz, 2012 waren es noch 607 Einsätze – ein Wachstum um rund 50 Prozent. Die Corona-Pandemie hat dem Trend zum Outdoorsport zusätzlich einen Schub gegeben. Und nicht nur beim DRK macht sich das bemerkbar – auch am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt. Denn weit über die Region hinaus ist die Klinik die erste Adresse für viele verletze Trendsportler. Aus zwei Gründen: Hier sind die Mediziner:innen hochspezialisiert und arbeiten interdisziplinär zusammen.
Routine statt seltener Einzelfall
Leonhard Putzenlechners Verletzung ist kompliziert und selten. Zumindest selten für die Ärzt:innen des nächstgelegenen Kreiskrankenhauses, wo sein Fuß nach seinem Unfall erstversorgt wird. Schnell macht das Krankenhauspersonal deutlich: Für Putzenlechners Verletzung fehlt in ihrem Haus die Expertise. Über Empfehlungen landet der Profibiker schließlich bei PD Dr. Renée Andrea Fuhrmann am Campus Bad Neustadt. Für sie ist eine komplizierte Fußverletzung Routine. Die Orthopädin und Unfallchirurgin ist auf „alles unterhalb des Knies“ spezialisiert. Und ist damit am Campus nicht allein: In der Klinik für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie kümmern sich unter Fuhrmanns Leitung vier Spezialisten täglich ausschließlich um Füße. „Wir haben da natürlich ein ganz anderes Wissen und viel mehr Operationserfahrung als jemand, der jeden Tag von der Halswirbelsäule bis zum kleinen Zeh alles behandelt“, erklärt Fuhrmann den Vorteil dieser Spezialisierung. In einem dreistündigen Eingriff rekonstruieren und stabilisieren sie und ihr Team Putzenlechners Fußknochen schließlich mit Hilfe einer autologen Knochentransplantation und Metallplatten. Das heißt, Fuhrmann entnimmt spezielle Knochenteile, die besonders viele knochenbildende Zellen enthalten, aus dem Becken des Patienten und füllt damit die Bruchstellen in der Fraktur im Fuß. So kann dort schnell neues Knochengewebe nachwachsen und Putzenlechners Verletzung ist in drei bis sechs Monaten ausgeheilt.
Was für PD Dr. Renée Andrea Fuhrmann der Fuß, ist für Prof. Dr. Jörg van Schoonhoven die Hand. Er ist Chefarzt der Klinik für Handchirurgie. Um den restlichen Bewegungsapparat, insbesondere um Verletzungen von Schulter- und Ellenbogengelenk, aber auch komplexe Knie- und Beckenverletzungen, kümmert sich die Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie, Schulterchirurgie und Endoprothetik unter der Leitung von PD Dr. Arne Berner und Prof. Dr. Andre Steinert. So gibt es am Campus Bad Neustadt für fast jedes Körperteil den passenden Experten. Alle Fachgebiete haben typische Verletzungsmuster, die Trendsportler mitbringen: Bei den Fußchirurgen sind es zum Beispiel die Paraglider, die zu hart landen und sich beim Aufprall die Sprunggelenke oder das Fersenbein brechen, bei den Handchirurgen die Mountainbiker, die sich beim Sturz über den Lenker mit den Händen abfangen, bei den Unfallchirurgen die Kletterer, die aus großer Höhe abstürzen und sich Verletzungen des Beckens und der Wirbelsäule oder auch komplexe Schulter- und Ellenbogenverletzungen zuziehen. Grundsätzlich sind Verletzungen durch Trendsportarten oft schwerwiegender als einfache Sport- oder Alltagsverletzungen, denn Stürze passieren meist bei hoher Geschwindigkeit oder aus großer Höhe.
Hinzukommt, dass immer mehr Laien die Trendsportarten ausüben. „Im Vergleich zu Profisportlern fehlt es Anfängern oft an der nötigen professionellen Anleitung eines Trainers und an Trainingserfahrung, um die eigenen Fähigkeiten und somit auch Verletzungsrisiken richtig einschätzen zu können. Auch das macht Verletzungen schwerwiegender“, erklärt Berner. Besonders gefährlich werde es, wenn E-Mountainbikes ins Spiel kommen, so der Unfallchirurg: „Der Elektromotor verleitet viele ältere Sportler dazu, Strecken oder Geschwindigkeiten zu fahren, die eigentlich über ihr Leistungsniveau hinausgehen und die sie sich so nicht zutrauen würden.“ Die Mediziner:innen am Campus haben daher eine weitere Beobachtung gemacht, was die Verletzungen durch Trendsportarten angeht: Das Patientenspektrum verschiebt sich. Von den übermütigen Jungen hin zu den aktiven Best-Agern.
Die Tücken der Kombinationsverletzung
Besonders in der Versorgung macht die Trendsportarten aber vor allem eines: „Wir haben es sehr häufig mit Kombinationsverletzungen zu tun“, sagt van Schoonhoven. Verletzt ist also zum Beispiel nicht nur die Schulter oder das Schienbein, sondern beides gleichzeitig. Daher arbeiten die drei hochspezialisierten, chirurgischen Abteilungen am Campus eng zusammen. Zu den Verletzungen des Bewegungsapparates können außerdem neurologische Verletzungen, zum Beispiel Traumata des Rückenmarks oder des Kopfes, sowie Schäden am Gewebe, beispielsweise starke Verbrennungen der Haut, hinzukommen. In diesem Fall ist auch ein Neurochirurg Teil des interdisziplinären Ärzteteams, das sich gemeinsam um das Polytrauma des Patienten kümmert – von der Diagnostik bis zur Nachbehandlung. Der Vorteil: Der Patient wird auf höchsten Niveau ganzheitlich betrachtet. „So können wir direkt mögliche Probleme verhindern, die bei der isolierten Behandlung vielleicht auftreten würden, zum Beispiel, wenn ich als Fußchirurgin meinem Patienten Krücken zur Nachbehandlung empfehle, aber der Handchirurg dann sagt, dass sich der Patient mit der zusätzlichen Handverletzung gar nicht abstützen darf“, erklärt Fuhrmann. Weitere Vorteile einer Behandlung am Campus sind ein hoher Digitalisierungsgrad sowie moderne Medizintechnik. Alle benötigten Funktionsdienste – Labor, Röntgen, MRT, CT – sind vor Ort und zeitnah zu realisieren. Dies sorgt für einen optimalen Behandlungsprozess für den Patienten. Muss operiert werden, können zudem in einer Operation mehrere Eingriffe an verschiedenen Verletzungen durchgeführt werden.
Für den Patienten bedeutet das nur eine Narkose und eine frühere Entlassung. Besonders letzteres ist für viele Trendsportler ein Argument für eine Therapie am Campus. Fuhrmann: „Unsere Trendsport-Patienten sind meist besonders ungeduldig, wollen möglichst schnell wieder fit sein und zurück aufs Rad oder an die Felswand.“ Auch Mountainbiker Leonhard Putzenlechner kann es kaum erwarten, wieder mobil zu sein. Sein Ziel: im Herbst wieder im Fahrradsattel sitzen.
Ihre Experten bei komplizierten Verletzungen:
Priv.-Doz. Dr. Renée Andrea Fuhrmann
Chefärztin der Klinik für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie
Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle orthopädische Chirurgie,
Orthopädische Rheumatologie und Handchirurgie
Prof. Dr. Jörg van Schoonhoven
Chefarzt Klinik für Handchirurgie
Facharzt für Orthopädie und Handchirurgie
Priv.-Doz. Dr. med Arne Berner (fehlt im Bild)
Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie, Schulterchirurgie und Endoprothetik
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle Unfallchirurgie (D-Arzt),
Spezielle Orthopädische Chirurgie