In Deutschland leiden wissenschaftlichen Schätzungen zufolge rund zehn Prozent der über 65-Jährigen unter dem Restless-Legs-Syndrom, das oft mit quälenden Schmerzen im Bereich der Beine einhergeht. Auch wenn der genaue Auslöser für die Erkrankung noch unbekannt ist, sei sie mittlerweile „gut behandelbar“, sagt Dr. Michael Weber, Chefarzt der Klinik für Pneumologie an der Zentralklinik Bad Berka.
Als Lungenexperte und Leiter des Zentrums für Schlafmedizin arbeitet er Hand in Hand mit Kolleg:innen der Neurologie, um vom Restless-Legs-Syndrom betroffenen Menschen bestmöglich zu helfen. Im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog spricht Dr. Weber über die Symptome der Erkrankung, die Diagnosestellung – und sinnvolle Therapiemöglichkeiten.
Herr Dr. Weber, was kann man sich unter dem Restless-Legs-Syndrom genau vorstellen?
Übersetzt heißt es „Syndrom der ruhelosen Beine“. Die Hauptsymptome, über die Betroffene klagen, sind quälende Schmerzen. Meistens im Bereich der Unterschenkel, manchmal auch im Oberschenkel oder in den Armen. Oftmals werden diese Missempfindungen als Kribbeln, Ameisenlaufen oder Brennen beschrieben. Man kann sich das ähnlich vorstellen wie einen Gang durchs Brennnessel-Feld. Die Schmerzen können sehr stark sein und somit auch den Schlaf beeinträchtigen. Häufig treten sie am späteren Nachmittag und am Abend auf, tagsüber halten sie sich dagegen meist in Grenzen.
Wer ist denn besonders betroffen?
Es gibt Studien, die nahelegen, dass Frauen häufiger unter dem Syndrom leiden als Männer. Die meisten wissenschaftlichen Erkenntnisse allerdings weisen darauf hin, dass die Erkrankung bei beiden Geschlechtern ähnlich häufig vorkommt. Zudem muss man sagen, dass das Syndrom eher eine Krankheit des späteren Lebensalters ist. Ab 65 ist man also stärker gefährdet. Was allerdings nicht heißt, dass es nicht auch Kinder hin und wieder trifft. Man kann davon ausgehen, dass in Deutschland etwa zehn Prozent der Fünfzig- bis Achtzigjährigen am Restless-Legs-Syndrom leidet.
Wie können Sie diesen Menschen helfen?
Solange sie sich keine ärztliche Hilfe suchen, scheint es extrem schwierig, die Schmerzen unter Kontrolle zu bekommen. Kommen sie zu uns in die Klinik, ist bei ungefähr 50 Prozent der Menschen der Grund für den Ausbruch der Erkrankung unklar. Was wir immerhin wissen, ist, dass dialysepflichtige Patientinnen und Patienten häufiger betroffen sind. Bei Frauen tritt das Syndrom oftmals während der Schwangerschaft auf, klingt danach allerdings meist wieder ab. Eisenmangel scheint eine Rolle zu spielen. Entsprechend führt die Verabreichung von Eisen oftmals zu einer Verbesserung der Beschwerden.
Wie lange dauert es in der Regel, bis Sie das Syndrom einigermaßen im Griff haben?
Wenn das Restless-Legs-Syndrom nicht gerade durch eine Schwangerschaft ausgelöst worden ist, verschwindet es in der Regel nicht von alleine. Aber es gibt mittlerweile hochwirksame Therapien. Neben der angesprochenen Verabreichung von Eisen profitieren wir von einer Reihe von Medikamenten, die man auch von der Behandlung von Parkinson kennt. Diese wirken in der Regel sehr gut und können die Schmerzen der Betroffenen erheblich lindern. In wenigen Fällen kann es allerdings vorkommen, dass eine Verschlechterung der Situation eintritt und wir das Therapiekonzept ändern müssen. Das nennt man „paradoxe Reaktion auf die Behandlung“.
Wie finden Sie überhaupt heraus, dass es sich um ein Restless-Legs-Syndrom handelt?
Grundsätzlich ist es so, dass viele unserer Patient:innen mit Schlafstörungen in unsere Klinik kommen. Ob hier das Restless-Legs-Syndrom verantwortlich oder mitverantwortlich ist, können wir dann anhand einer sorgfältigen Anamnese in vielen Fällen schnell herausfinden. Hinweise liefern uns zum Beispiel die Analyse von Muskelaktivitäten im Bereich der Beine. Diagnostizieren wir anschließend ein Restless-Legs-Syndrom, arbeiten wir Lungenfachärzte dann in enger Abstimmung mit unseren Kolleg:innen der Neurologie zusammen. Da macht sich die Interdisziplinarität bezahlt.
Gibt es denn Erkrankungen, die sehr ähnliche Symptome aufweisen und die Abgrenzung erschweren?
Durchaus. Auch diverse neurologische Erkrankungen können ähnliche Missempfindungen auslösen. Zum Beispiel Polyneuropathien, worunter wir systemisch bedingte Schädigungen mehrerer peripherer Nerven verstehen. Hier genau den Grund für die auftretenden Schmerzen zu finden, ist zuweilen schwierig. Fakt ist: Beim Restless-Legs-Syndrom ist bei den Betroffenen das Auftreten der Symptome oftmals verbunden mit einem Bewegungsdrang der Extremitäten, der bei der Polyneuropathie in dieser Form nicht vorhanden ist. Dieser kann dann also eine Art Fingerzeig in Richtung Restless-Legs-Syndrom sein.
Kann man dem Ausbrechen der Erkrankung irgendwie sinnvoll vorbeugen?
Nein. Einfach weil wir beim primären Restless-Legs-Syndrom nicht wissen, woher die Krankheit kommt. Und entsprechend können wir auch keine vorbeugenden Maßnahmen empfehlen.
Gibt es Hinweise auf Vererbbarkeit?
Ich kenne keine Untersuchung, die darauf hindeuten würde. Was allerdings wissenschaftlich erwiesen ist: Je weiter man in den Norden kommt, desto häufiger findet man das Restless-Legs-Syndrom vor. In Mitteleuropa tritt es öfter auf. Das wiederum deutet darauf hin, dass Gene hier durchaus eine Rolle spielen könnten.
Ihr Experte zum Thema Restless-Legs-Syndrom:
Dr. Michael Weber
Chefarzt der Klinik für Pneumologie an der Zentralklinik Bad Berka