Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum: präzise, effektiv und schonend

Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum: präzise, effektiv und schonend

Das Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum (MIT) stellt eine innovative Behandlungsmethode bei Tumoren da. Zur Bestrahlung werden dabei geladene Ionen statt der sonst in der Strahlentherapie üblichen Photonen genutzt. Die Strahlentherapie und Radioonkologie am Uniklinikum Marburg decken mit ihren Behandlungsmöglichkeiten das gesamte Spektrum der Strahlentherapie ab.

Im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog sprechen Prof. Dr. Rita Engenhart-Cabillic, Ärztliche Direktorin des MIT und Dr. Sylvia Heinis, Kaufmännische Geschäftsführerin des UKGM in Marburg über die Behandlung und die Vorteile des Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrums für den Patienten.

Prof. Dr. Engenhart-Cabillic, was zeichnet die Behandlungsmethode am MIT aus?

Das kann man in wenigen Worten zusammenfassen: Die Ionenstrahltherapie ist präzise, effektiv und schonender als eine konventionelle Strahlentherapie. Außergewöhnlich ist, dass der Arzt mit dieser Strahlentherapie zwischen Wasserstoffatomen und Kohlenstoff-Atomen auswählen kann. Diese Technik wird nur an zwei Zentren deutschlandweit und an neun Zentren weltweit angeboten.

Welchen Vorteil bietet die Behandlungsmethode für die Patienten?

Sie profitieren aufgrund der exakten Dosisdeposition von einer besonders schonenden, hochpräzisen und effizienten Therapie. Eine solche Therapie ist immer dann angezeigt, wenn Tumoren sehr hohe Strahlendosen benötigen, wenn sie tief im Körper sitzen und von empfindlichen Geweben umgeben sind. Selbst bei sehr komplexen Bestrahlungsvolumina können mit der Partikeltherapie Risikoorgane optimal geschont werden.

Für welche Krebsarten wird die Behandlung eingesetzt?

Sie eignet sich vor allem für relativ strahlenresistente Tumoren, die sich in der Nachbarschaft von kritischen Risikostrukturen befinden. Oder für Tumoren, die neben hoch strahlensensiblen Organstrukturen behandelt werden müssen. Kohlenstoffionen kommen zum Beispiel bei Rezidivtumoren des Gehirns oder Kopf-Hals-Tumoren sowie Speicheldrüsentumoren zum Einsatz. Für Tumoren des zentralen Nervensystems oder Prostatakarzinome ist dagegen die Protonentherapie eher geeignet. Das gilt übrigens auch für die Strahlentherapie bei Kindern. Die Kinder profitieren insbesondere von der deutlich geringeren Dosisbelastung des angrenzenden gesunden Gewebes. Dadurch werden Begleitrisiken deutlich gesenkt. Die häufigsten Tumoren im Kindesalter, die am MIT therapiert werden, sind Hirntumoren, Sarkome oder Hodgkin-Lymphome.

Frau Dr. Heinis, wie werden diese Therapien finanziert?

Noch ist die Partikeltherapie keine Regelleistung der Krankenkassen. Dankenswerterweise finanzieren aber viele Primär- und Ersatzkassen diese moderne Therapieform. Sie übernehmen die Therapiekosten für bestimmte Tumorerkrankungen, bei denen Vorteile der Teilchentherapie im Vergleich zur herkömmlichen Behandlung nachgewiesen werden konnten. Ist aus ärztlicher Sicht eine Indikation zur Partikeltherapie gegeben, stellen wir einen Kostenantrag bei der Krankenkasse der Betroffenen.

Prof. Dr. Engenhart-Cabillic, wie funktioniert die fachärztliche Vernetzung, um die optimale Therapie für Tumorpatienten zu gewährleisten?

Das MIT ist Teil eines großen zertifizierten onkologischen Zentrums und in den Tumorboards des UKGM vertreten. Für Patienten, die eine Partikeltherapie als Behandlungsoption anfragen, muss diese Therapieform nicht immer die geeignete sein. Für diese Patienten kann im Rahmen der interdisziplinären Tumorkonferenzen, die unter dem Dach des Comprehensive Cancer Center Marburg stattfinden und an denen alle onkologischen Fachdisziplinen und Experten beteiligt sind, dann die bestmögliche individuelle Behandlungsoption gefunden werden. Darüber hinaus sind wir weit vernetzt.

Wir pflegen enge Kontakte mit nationalen und internationalen Kolleginnen und Kollegen, unter anderem aus den Bereichen der Onkologie und Neurochirurgie. Mit diesen Experten arbeiten wir bei der Behandlung von Tumorpatienten im kontinuierlichen Austausch zusammen, da diese innovative Technologie die Möglichkeiten für eine Vielzahl interdisziplinärer, medizinischer sowie biologischer und physikalischer Forschungsprojekte bietet. Auch mit anderen Universitätskliniken ist eine Behandlung von Patienten in gemeinsamen Studienprotokollen sinnvoll und möglich.

 

Ionenstrahltherapie

Bei der Ionenstrahltherapie werden geladene Ionen statt der sonst in der Strahlentherapie üblichen Photonen genutzt. Für die Behandlung stehen am MIT sowohl Protonen (positiv geladene Wasserstoffatome) als auch Kohlenstoffatome zur Verfügung.

Für beide Teilchen gilt, dass man ihre Wirkung millimetergenau auf das Tumorgewebe ausrichten kann. Die Teilchen werden so beschleunigt, dass sie ihre Wirkung in der vorbestimmten Tiefe, nämlich dem Tumor, abgeben und das umliegende Gewebe nicht oder kaum belasten. Neben der physikalisch präziseren Dosisdeposition sind die Kohlenstoffionen auch biologisch effektiver. Sie können bestimmte Tumorarten besser abtöten als Protonen oder Photonenstrahlen. Diese höhere biologische Wirksamkeit hilft insbesondere bei bestimmten relativ strahlenunempfindlichen Tumoren. Mit diesem organerhaltenden Verfahren wurden neben Hirn- und Kopf-Hals-Tumoren vielversprechende Ergebnisse auch bei Nasennebenhöhlen- und Nasenhaupthöhlen-Karzinomen erzielt. Weitere Indikationen sind bestimmte Formen des Pankreaskarzinoms und des retroperitonealen Sarkoms sowie Tumorrezidive.

Weitere Informationen auf dem RHÖN-KLINIKUM AG YouTube Kanal Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum (MIT) oder ein weiterführender Artikel mit dem Titel „Ionenstrahl-Therapie gegen Krebs“

Zur Homepage: www.mit-marburg.de

 

 

 

 

Im Interview Dr. Sylvia Heinis, Kaufmännische Geschäftsführerin des UKGM in Marburg und Prof. Dr. Rita Engenhart-Cabillic, Ärztliche Direktorin des MIT