Viele Lebererkrankungen werden durch eine Infektion mit Hepatitis-Viren oder anderen Viruserkrankungen hervorgerufen und können über lange Zeiträume hinweg schleichend verlaufen. Und zwar ohne dass Betroffene unter nennenswerten Beschwerden leiden. Diese sogenannten chronischen Virus-Hepatitiden stellen ein großes globales Gesundheitsproblem dar.
Am 28. Juli erinnert die World Hepatitis Alliance (WHA) mit dem Welt-Hepatitis-Tag daran, dass die meisten der Hepatitis-Typen anhand von Früherkennungsuntersuchungen gut diagnostiziert und therapiert werden können: „Hepatitis kann nicht warten!“, lautet der Appell.
Problematisch ist grundsätzlich die Tatsache, dass eine kranke Leber nicht unbedingt wehtut und die Lebererkrankung unterschiedlichste Gründe haben kann. „Selbst wenn man lebererkrankt ist, hat man oftmals sehr unspezifische Symptome. Oder man merkt es gar nicht. Die Leber leidet still“, sagt Dr. Sonja Gehring im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog.
Sie leitet die Leberambulanz des Zentrums Innere Medizin am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Marburg und beschäftigt sich täglich mit erhöhten Leberwerten von Patient:innen:
„Die Frage, ob erhöhte Leberwerte über einen Zeitraum von drei Monaten normal sind, lässt sich ganz einfach mit Nein beantworten!“
Regelmäßiger Checkup wichtig
Grundsätzlich rät die Expertin allen Betroffenen im Falle erhöhter Leberwerte, diese regelmäßig kontrollieren zu lassen, was meistens beim Hausarzt passiert. Sind diese über drei Monate hinweg erhöht, bietet ihre Leberambulanz Hilfe an: „Wir klären unklare Lebererkrankungen hier sehr breit ab, inklusive viraler Diagnostik und Autoimmundiagnostik“, sagt sie.
Außerdem werde überprüft, ob eventuell eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung vorliegt, die manchmal mit erhöhten Leberwerten einhergeht. Neben einer viralen oder autoimmunen Genese der Leberwert-Erhöhungen treten zudem immer mehr sogenannte nicht-alkoholische Fettleberentzündungen auf. Im Rahmen der Erhebung der Krankheitsgeschichte der Betroffenen wird zudem geklärt, ob eventuell Alkohol oder ein neues Medikament für die erhöhten Leberwerte verantwortlich sein könnten. „Es gibt die unterschiedlichsten Ursachen“, weiß Sonja Gehring aus Erfahrung.
Diese Typen von Hepatitis gibt es
Abhängig vom Virustyp wird zwischen den Hepatitis-Typen A, B, C, D und E unterschieden. Hepatitis-Viren rufen unterschiedlich schwere Leberentzündungen hervor, die spontan ausheilen oder, wie bei den Hepatitiden B (ggf. mit Hepatitis-B/D-Koinfektion) und C chronisch werden und im weiteren Verlauf auch Leberzirrhose und Leberzellkrebs verursachen können. Über-35-Jährigen steht mittlerweile ein kostenloser Test auf Hepatitis B und Hepatitis C zur Verfügung, zu dem Sonja Gehring explizit rät. Eine möglichst schnelle Diagnose ist hier wichtig, denn sie kann vor schwerwiegenden Schäden der Leber bewahren.
Gegen Hepatitis A kann man sich impfen lassen. Auch wenn es hier manchmal schwerere Verläufe gibt, heilt dieser Typ grundsätzlich vollständig aus. Im Gegensatz dazu ist die weltweit am häufigsten auftretende chronische Hepatitis B meist nicht heilbar, aber anhand von Medikamenten mittlerweile gut behandelbar, wie Sonja Gehring sagt. Hier gibt es nahezu nebenwirkungsfreie und sehr effektive Medikamente, die den Ärzt:innen Kontrolle über die Erkrankung ermöglichen. Des Weiteren steht auch für die Hepatitis B eine gut wirksame Impfung für Risikopatienten und Kinder unter 18 Jahren kostenlos zur Verfügung.
Gegen Hepatitis C gibt es eine „extrem gut verträgliche Therapie“, wie Sonja Gehring ausführt. In den meisten Fällen dauere sie nur acht bis zwölf Wochen, je nachdem, ob die Menschen schon vortherapiert worden seien, oder nicht: „Manchmal treten leichte Kopfschmerzen auf, die Patient:innen sind aber in der Regel begeistert von der guten Verträglichkeit der neuen Medikamente. Hier hat der biomedizinische Fortschritt ein wahres Wunder vollbracht und diese früher eher tödliche chronische Virushepatitis nunmehr als erste Viruserkrankung heilbar gemacht.“
Auch bei Hepatitis delta, die durch das Hepatitis-D-Virus ausgelöst wird, besteht seit Kurzem eine neue Behandlungsmöglichkeit. Mit dieser Therapie kann bei fast allen Patient:innen eine deutliche Reduktion der Hepatitis-D-Viruslast erreicht werden, und damit eine Verringerung der Leberentzündung.
Grundsätzlich bestehen im Bereich der Virus-Hepatitis also verschiedene Möglichkeiten zur Früherkennung, Prävention und Therapie, mit denen das Ziel der Weltgesundheitsorganisation erreicht werden kann, Hepatitis B und C bis 2030 weltweit zu besiegen.
Sonja Gehring rät dazu, dauerhaft erhöhte Leberwerte grundsätzlich möglichst frühzeitig abklären zu lassen. Das ist schon deshalb wichtig, weil jede Entzündung der Leber früher oder später zu einer sogenannten Verbindegewebigung führt, deren Endstadium eine Leberzirrhose ist. Und diese ist dann irreversibel.
„Beeindruckendes Regenerationspotenzial“
So weit muss es allerdings nicht kommen. Die Expertin verweist darauf, dass die Leber eines der wenigen Organe in unserem Körper ist, das beeindruckendes Regenerationspotenzial hat.
„Wer also rechtzeitig zum Arzt geht, hat gute Chancen, Probleme frühzeitig in den Griff zu bekommen“, sagt sie: „Handeln muss man allerdings – optimalerweise bevor das irreversible Stadium der Leberzirrhose eingetreten ist!“
Die mittlerweile kostenlosen Screening-Möglichkeiten würden erfreulicherweise gut in Anspruch genommen, sagt Sonja Gehring: „Das ist eine gute Nachricht, die zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“
Ihre Expertin für Hepatitis:
Dr. Sonja Gehring
Leiterin der Leberambulanz des Zentrums Innere Medizin am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Marburg