Glaukom: Wenn die Sehkraft nachlässt…

Glaukom: Wenn die Sehkraft nachlässt…

Weltweit sind laut Statistiken 120 Millionen Menschen vom sogenannten Glaukom oder Grünen Star betroffen, der nach dem Grauen Star die zweithäufigste Ursache für Erblindung darstellt. Professor Dr. Walter Sekundo, Direktor der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Marburg, behandelt Glaukome im fortgeschrittenen Stadium. Seine Räumlichkeiten seien für betroffene Patienten oft ein „Hort der letzten Hoffnung“, sagt er, und erklärt im Gespräch, wer vom Grünen Star besonders betroffen ist, ob die schleichende Erkrankung heilbar ist, und weshalb ein selbstfinanziertes Screening sinnvoll sein kann.

Herr Professor Sekundo, zunächst eine wesentliche Frage: Ist das Glaukom prinzipiell „heilbar“?

Nein. Ein Glaukom kann man nicht heilen. Uns Ärzten geht es darum, einen Zustand im Idealfall quasi „einzufrieren“. In schwierigen Fällen streben wir an, die zunehmende Verschlechterung des Sehvermögens so lange hinauszuzögern, dass es für den Rest des Lebens des Patienten reicht.

Woran merkt man denn, dass man am Grünen Star leidet?

Das Heimtückische am Glaukom ist, dass es nicht wehtut, was zur Folge hat, dass man als Betroffener die anfänglichen Stadien bis hin zum letzten Stadium nicht unbedingt bemerkt. Grundsätzlich kommt es zu einer Verschlechterung des Sichtfeldes der Augen. Aber weil dieser Prozess so langsam vonstatten geht, nehmen viele Menschen ihn schlicht nicht wahr.

Durch die Schädigung der Nervenfasern im Netzhautbereich kommt es beim Glaukom zu solchen Ausfällen im Gesichtsfeld.

 

Was genau ist ein Glaukom eigentlich?

Die meisten Menschen kennen das Glaukom als Grünen Star. Gemeint ist dann meist das sogenannte Offenwinkel-Glaukom, das ungefähr 70 Prozent der Fälle ausmacht. Hierbei handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die in den meisten Fällen mit einer moderaten Augeninnendruckerhöhung einhergeht. Diese Art von Glaukom kann man eben nicht heilen, sondern nur behandeln.

Wie gestaltet sich eine solche Behandlung?

Im Anfangsstadium verschreiben wir meist Augentropfen, die den Augeninnendruck senken. Bei Tropfenunverträglichkeit besteht bei moderaten Formen die Möglichkeit einer Stent-Implantation oder einer Lasertherapie. Wenn der Augeninnendruck nicht mehr ausreichend reguliert ist, müssen wir etwas invasiver operieren, indem wir zum Beispiel chirurgisch einen neuen sogenannten Abflussweg schaffen.

Und welche andere Ausprägung des Glaukoms gibt es noch?

Unter anderem das sogenannte Winkelblock-Glaukom, das sich vom Offenwinkel-Glaukom radikal unterscheidet. Es gehört zur Gruppe der sogenannten sekundären Glaukome, die mit zirka 15 Prozent Häufigkeit allerdings wesentlich seltener vorkommen als das tückische Offenwinkel-Glaukom.

Was passiert beim Winkelblock-Glaukom?

Hier kommt es zu einer akuten Blockade der Abflusskanäle aus dem Auge, gekoppelt mit einem rasanten Druckanstieg, der sich für den Patienten in einem trüben Sichtfeld, Kopfschmerzen, oder auch Übelkeit bis hin zum Erbrechen äußert. Aufgrund dieser spürbaren Symptome sucht die betroffene Person meist recht schnell einen Arzt auf. Sofern dies kein Augenarzt ist, besteht auch eine gewisse Gefahr, dass man die Symptome als einen einfachen „Kopfschmerz“ missinterpretiert – und eine falsche Therapie einleitet. Einem Augenarzt dürfte die Diagnosestellung keine Probleme bereiten.

Wie können Sie als Arzt in der Augenklinik solchen Patienten helfen?

Wir können diese Blockade anhand eines sehr einfachen Eingriffs aufheben, sofern die richtige Behandlung zeitnah stattfindet. Wenn Menschen allerdings tagelang diesen hohen Druck ertragen, stirbt der Sehnerv ab, und es bleiben Schäden zurück. Aber, wie gesagt: Dieses gut zu behandelnde Winkelblock-Glaukom kommt weitaus seltener vor als das Offenwinkel-Glaukom.

Sind Operationen, die Sie und Ihr Team in der Augenklinik nach der Diagnose Glaukom durchführen, eher komplex? Oder sind es Routine-Eingriffe?

Das lässt sich schlecht pauschal beantworten. Es gibt beim Grünen Star um die 20 verschiedene operative Verfahren, von denen wir einige häufig, andere seltener anwenden. Keine Glaukom-Operation hat eine 100-prozentige Erfolgsrate. Grundsätzlich gibt es einfach durchzuführende Laser-Operationen, die allerdings oft nur einen geringen Effekt haben, und eben auch komplexe Verfahren, für die man eine Vollnarkose braucht.

Wer ist denn besonders betroffen vom Glaukom?

Grundsätzlich sind Menschen nach Erreichen des 45. Lebensjahrs besonders gefährdet, an einem Glaukom zu erkranken. Jenseits des 60. Lebensjahres wird oftmals eine Behandlung notwendig. Männer und Frauen sind ähnlich häufig betroffen.

Ist dieser Grüne Star genetisch bedingt, oder gibt es auch Fehlverhalten von Seiten eines Menschen, das den Ausbruch der Krankheit fördert?

Nein, ein solches Fehlverhalten gibt es nicht. Genetik spielt hingegen ebenso eine Rolle wie der genannte Alterungsprozess. Was ich deshalb empfehle: Ab dem 45. Lebensjahr sollte jeder regelmäßig zum Augenarzt gehen! Dieser weiß, welcher Patient ein hohes und welcher ein eher geringes Risiko hat, am Glaukom zu erkranken.

Würde ein Glaukom beim regulären, im Idealfall ja jährlich stattfindenden Check beim Augenarzt eigentlich auffallen?

Nicht unbedingt. Schaut der Augenarzt nur einmal kurz auf das Auge, kann es sein, dass er den Grünen Star nicht erkennt. Hierfür muss er schon den Sehnerv untersuchen, ein sogenanntes Gesichtsfeld machen, oder zumindest den Augeninnendruck messen. Dann würde der Arzt das Glaukom aber sicherlich bemerken. Für sehr empfehlenswert halte ich außerdem sogenannte Glaukom-Screenings. Die Kosten hierfür tragen die gesetzlichen Krankenkassen leider nicht, aber es ist sicherlich gut investiertes Geld.

Wieviel kostet denn ein solches Screening?

Das hängt vom Umfang ab, in der Regel zwischen 80 und 100 Euro. Von dem Moment an, an dem ein Glaukom diagnostiziert wurde, zahlt dann die gesetzliche Krankenkasse.

Wenn man schon als Kind aufgrund von Kurz-oder Weitsichtigkeit eine Brille tragen musste: Ist dann die Wahrscheinlichkeit höher, später im Leben an einem Glaukom zu erkranken?

Von hoher Wahrscheinlichkeit würde ich nicht sprechen, allerdings mit größerer Wahrscheinlichkeit, als wenn man normalsichtig ist.

 

Prof. Dr. Sekundo, Augenklinik Marburg

Ihr Experte für Augenheilkunde:
Professor Dr. Walter Sekundo
Direktor der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Marburg