Die Physiotherapeuten der Neurologischen Klinik am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt arbeiten seit September mit einem neuen Exoskelett, das Patienten wieder ans aufrechte Gehen heranführt.
Bei einer entzündlichen Nervenerkrankung, einem Schädel-Hirn-Trauma oder einem Schlaganfall können innerhalb kürzester Zeit selbst einfachste Bewegungsabläufe eine große Herausforderung darstellen. Am Campus Bad Neustadt arbeiten Jürgen Steiner, Therapieleitung Neurologische Klinik, und seine Kollegen deswegen mit dem Exoskelett „Indego“. Diese Orthese, die wie Schienen an den Beinen und am Rumpf angebracht wird, gleicht einem „Gehroboter“ und gibt den Patienten aktive Unterstützung beim Laufen.
Eine der ersten Patientinnen, die Steiner und sein Team mit der modernen Robotertechnik therapieren konnten, ist Jennifer Platzk. Das sogenannte Guillain-Barré-Syndrom, eine entzündliche Veränderung des Nervensystems, lähmte ihre Beine so, dass es für sie trotz intensiver Therapie beinahe unmöglich wurde, mehr als 70 Meter am Stück zu gehen. In der Neurologischen Klinik übte sie das Gehen mehrere Wochen mit der Unterstützung des Exoskeletts. Begleitet von ihren Therapeuten legte sie so stetig weitere Strecken zurück und schaffte zuletzt sogar rund drei Mal so lange Wege wie zu Beginn der Therapie. „Der Gehroboter unterstützt die Patienten motorisch, indem er sie stabilisiert und wieder an die Bewegung heranführt.
Aber er wirkt sich auch positiv auf die Psyche aus: Dadurch, dass die Patienten wieder aufrecht durch den Raum gehen können, erhalten sie ein Stück Normalität zurück, das ihnen durch ihre Erkrankung genommen wurde“, erklärt Steiner. Das Gefühl der Selbstständigkeit fördere die gesamte Entwicklung. Das hat auch Platzk gemerkt: „Bereits nach der ersten Therapie mit dem Exoskelett hat es bei mir gezündet!“
Dadurch, dass die Patienten wieder aufrecht durch den Raum gehen können, erhalten sie ein Stück Normalität zurück, das ihnen durch ihre Erkrankung genommen wurde“, erklärt Steiner.
Anwendungsfreundliche App
Das Exoskelett „Indego“, das in der Neurologischen Klinik in Bad Neustadt zum Einsatz kommt, ist in seiner neuen Version bislang einmalig in Deutschland. Mit rund zwölf Kilogramm Gewicht ist es verhältnismäßig leicht und für Therapeuten einfach anzulegen. „Andere Exoskelette mit ähnlicher Funktionsweise wiegen schon mal gut 25 Kilogramm. Das geht natürlich auf den Rücken“, sagt Steiner. Zur optimalen Anpassung wird der Patient zunächst ausgemessen, jedes Teil des Exoskeletts wird individuell angepasst.
Diese Einstellung kann ebenso wie Details zum Gang – vom Grad der Unterstützung bis hin zur Laufgeschwindigkeit – im System abgespeichert, von den Therapeuten schnell und einfach per App aufgerufen und jederzeit angepasst werden. „Das Exoskelett ist sehr anwenderfreundlich“, bestätigt Steiner. Dennoch wurden die zuständigen Physiotherapeuten vor Einführung der Therapie selbstverständlich umfassend geschult. Nun geben sie als Multiplikatoren ihr Wissen an andere Therapeuten der Neurologischen Klinik weiter, sodass die Therapie mit dem Exoskelett langfristig möglichst vielen Patienten, die dafür geeignet sind, zugänglich gemacht werden kann.
Begleitet von ihren Physiotherapeuten
Kristina Schmidt (l.)
und Lukas Janfrüchte (r.) trainiert
Jennifer Platzk (Mitte) mehrmals
pro Woche mit dem Exoskelett.