Ein neues Hüft- oder Kniegelenk kann einen ungeheuer positiven Effekt auf das Leben vieler vom Gelenkverschleiß betroffener Menschen haben. Kaum jemand weiß das besser als Professor Dr. René Aigner, der Leiter der Klinik für Orthopädie II am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Marburg.
Seine Orthopädische Station 137 hat 2024 neu eröffnet und legt besonderen Wert auf die individuelle Betreuung der Patienten. „Jeder weiß genau, von wem er betreut und operiert wird, niemand ist hier einfach nur eine Nummer“, sagt Professor Aigner. Höchstes Gut der Klinik sei die zuverlässige Versorgung orthopädischer Patienten auf höchstem medizinischen Niveau.
Im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog spricht der Experte darüber, wann eine Operation sinnvoll ist, und wie es ihm und seinem Team gelingt, Menschen von ihren chronischen Gelenkschmerzen zu befreien.
Herr Professor Aigner, was bedeutet Endoprothetik genau?
Die Endoprothetik beschäftigt sich mit dem künstlichen Ersatz von Gelenken innerhalb des Körpers durch Implantate, die dauerhaft im Körper verbleiben.
Über welche Art von Gelenkersatz geht es?
Am häufigsten werden Hüft-, Knie- und Schultergelenke ersetzt. Es kann jedoch auch im Bereich anderer Gelenke, wie etwa dem Ellenbogen, dem oberen Sprunggelenk, oder sogar im Bereich der Hand hilfreich sein, Gelenke durch Endoprothesen zu ersetzen.
Wen betrifft das hauptsächlich?
Wir behandeln viele ältere Patienten, die vom Verschleiß in besonderer Weise betroffen sind, und die in Folge dessen dauerhaft Schmerzen haben. Gelenkverschleiß kann aber auch jüngere Leute betreffen. Zum Beispiel solche, die durch berufliche Exposition oder durch sportliche Aktivitäten einen schnelleren Gelenkverschleiß haben. Die endoprothetische Versorgung ist eine elektive, planbare Operation, die das Ziel hat, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.
Wie muss man sich diese Endoprothesen vorstellen?
Generell sprechen wir von Implantaten, die dauerhaft im Körper bleiben, und mit denen man geschädigte Gelenke ersetzen kann. Die „Klassiker“ sind, wie erwähnt, künstliche Hüft- und Kniegelenke. Die entsprechenden Eingriffe finden in Deutschland häufig statt. Aufgrund der enormen Schmerzreduktion, die viele Patienten durch den Gelenkersatz mittels Endoprothese erfahren, spricht man zum Teil von „der erfolgreichsten Operation des vergangenen Jahrhunderts“.
Wie kommt man denn zu Ihnen? Über den Hausarzt, oder den Orthopäden?
Sowohl als auch. In der Regel gehen Patienten als Erstes mit ihren Beschwerden zum Hausarzt. Dieser überweist dann zum Orthopäden, der die Diagnostik in Form eines Röntgenbildes übernimmt. Im Anschluss überweist er dann weiter an Kliniken wie die unsere. Diese „Zuweiser-Struktur“ funktioniert in der Praxis sehr gut. Einfach auch, weil die Hausärzte Vertrauensärzte sind, zu denen die meisten Patienten eine besondere Beziehung haben. Ich weiß das unter anderem von meiner Frau, die hier in der Region Hausärztin ist. Für uns als Klinik sind auch gute Kooperationen mit den Orthopäden wichtig, weil sie ihre Patienten sehr gut einschätzen können. Darüber hinaus bieten wir als Klinik auch eine Spezial-Sprechstunde an, in die Patienten auch ohne vorherige Vorstellung beim Haus- oder Facharzt kommen können.
Wie geht es für die Patienten dann weiter, wenn sie sich bei Ihnen vorgestellt haben?
Im Idealfall sind die Patienten schon komplett „durchdiagnostiziert“, wenn sie hier ankommen. Das funktioniert bei uns zum Beispiel sehr gut in Zusammenarbeit mit einer großen Kooperationspraxis in Marburg. In diesen Fällen ist die Indikation zur Operation also quasi schon gestellt. Trotzdem schauen wir uns den Patienten natürlich noch einmal genau an und überprüfen die Indikation. Anschließend können wir die Operation planen.
Und wie ist der Ablauf, wenn die Patienten direkt zu Ihnen kommen, also ohne vorgeschalteten Hausarzt oder Orthopäden?
In derartigen Fällen beginnen wir mit einer sogenannten Anamnese, bei der wir uns die Beschwerden der jeweiligen Person genau ansehen, und wie lange sie schon darunter leiden. Diese Anamnese ist sehr wichtig in der Endoprothetik, weil wir natürlich nicht die Röntgenbilder operieren, sondern Menschen. Wichtig ist dieser Schritt auch im Hinblick auf die Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern. Eine eingehende körperliche Untersuchung mit anschließender bildgebender Diagnostik kann dann weitere Klarheit bringen. Oft genügen Röntgenbilder, manchmal braucht es aber auch CT oder MRT.
Und dann?
Dann können wir unsere Patienten beraten, welche Vorschläge wir hinsichtlich einer sinnvollen Therapie haben. In der Regel versuchen wir immer zunächst konservative Methoden der Behandlung. Nur wenn das keinen Erfolg bringt, ziehen wir Operationen in Erwägung.
Was Sie bisher gesagt haben, hört sich grundsätzlich nach einem Routine-Eingriff an…
So ist es. Natürlich sprechen wir von keiner kompletten Standard-Operation, weil jeder Eingriff natürlich an die spezifischen Gegebenheiten eines jeden einzelnen Patienten angepasst werden muss. Hier ist natürlich Sorgfalt und Perfektionismus wichtig, einfach weil es immer um die bestmögliche Versorgung jedes Patienten geht. Es gibt aber auch bei jedem Routine-Eingriff ein gewisses Spektrum an Komplikationen, die auftreten können. Grundsätzlich haben wir allerdings eine sehr niedrige Komplikationsrate.
Wie lange dauert die Operation, und wie lange dauert es, bis die Patienten wieder normal laufen können?
Die Operation an sich dauert in der Regel rund eine Stunde. Durch minimal-invasive Zugänge und moderne Versorgungskonzepte können die Patienten oftmals schon am gleichen Tag „mobilisiert“ werden. Sie dürfen also mit dem Bein schon voll auftreten. In den Tagen danach können sie dann meistens schon relativ flüssig und normal über die Station laufen. Nach fünf bis sieben Tagen wechseln sie dann in die Rehabilitation. Ich habe erst vor einer halben Stunde auf Station eine Patientin getroffen, der ich gestern ein neues Hüftgelenk eingesetzt habe. Sie hat sich heute mit Gehstützen schon sehr flüssig mobilisiert. Das ist schon beeindruckend, wie schnell das geht. Und sie hat mir gesagt, dass sie den gestern vor der Operation noch gefühlten Arthrose-Schmerz schon jetzt nicht mehr spürt. Häufig vergessen Patienten im Verlauf regelrecht, dass ihnen ein neues Gelenk eingesetzt wurde. Wir sprechen hier von der „forgotten hip“ oder dem „forgotten knee“.
Was macht Ihre Klinik aus? Warum sollte man zu Ihnen kommen?
Diese Klinik verfügt über eine jahrzehntelange Erfahrung in der Endoprothetik. Neben dem Fachwissen meines Teams ist mir persönlicher Kontakt zu meinen Patienten sehr wichtig, also das Begleiten jeder einzelnen Krankengeschichte. Ich besuche jeden Patienten, den ich operiert habe, in der Regel jeden Nachmittag, um mich nach dem aktuellen Zustand zu erkundigen. Was die Klinik angeht, ist erwähnenswert, dass wir als Universitätsklinikum eine Klinik der Maximalversorgung sind. Das heißt unter anderem auch, dass wir neben der Orthopädie das komplette Spektrum der Unfallchirurgie anbieten. Das ist insbesondere immer dann wertvoll, wenn bei Patienten Komplikationen auftreten, also zum Beispiel Brüche. Auch wenn sie ihre Endoprothese woanders bekommen haben, können wir das komplette Spektrum, von Gelenkerhalt bis Gelenkaustausch, vollständig abbilden. Hier sind alle Fachbereiche verfügbar: So können beispielsweise auch Personen, die unter einer Epilepsie leiden und ein neues Gelenk benötigen, gut versorgt werden, da im unwahrscheinlichen Fall von Anfällen jederzeit ein Neurologe verfügbar wäre. Darüber hinaus können wir auch auf eine sehr gute intensivmedizinische Versorgung verweisen.
Ihr Experte für Endoprothetik:
Professor Dr. René Aigner
Leiter der Klinik für Orthopädie II am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Marburg