Es sind oft kleine, schwerkranke Kinder, um die sich die Clown-Doktoren kümmern. In der Kinderklinik des Universitätsklinikums Gießen ist Minke Bach, 46, alias Doktor Karamella als professionell ausgebildeter Clown deren Teamleiterin. Im Gespräch spricht sie über ihr bewegendstes Erlebnis mit einem herzkranken Mädchen, ihre von jungen Patienten am häufigsten nachgefragte Showeinlage, und über ihren Beruf des Clowns, der sich wie kaum ein anderer zwischen Heiterkeit, Traurigkeit und Tod abspielt.
Das Motto von den Clown-Doktoren ist „Humor hilft Heilen“. Wie vertragen sich Krankheit und Spaß?
In der Klinik geht es viel um Diagnostik, das Einhalten von Operationsterminen und Medikamentenplänen, ernste Gespräche mit Ärzten und schmerzhafte Behandlungen. Bei uns Clown-Doktoren und unserer Arbeit dagegen dreht sich alles um den Teil des Kindes, der gesund ist. Und den gibt es immer. Egal, wie schwer krank das Kind oder der erwachsene Mensch ist. Das ist unser Fachgebiet.
Wie funktioniert das ganz praktisch?
Wir gehen in die Zimmer, und ab diesem Moment geht es dort nicht mehr um die Krankheit, sondern um das, was Freude macht und ablenkt vom Alltag in der Klinik.
Und welche Rolle spielt die Figur des Clowns dabei?
Der Clown als solcher, und der Klinik-Clown insbesondere, ist eine sehr feinfühlige Figur, die natürlich viel Humor, aber eben auch eine sehr emotionale Seite und eine Antenne dafür hat, was hier beim kleinen Patienten gerade gut tun würde.
Leises und Krawalliges – alles ist möglich
Wie bereitet man sich auf solch einen Besuch bei kranken Kindern vor?
Wir haben keine vorgefertigten Skripte, sondern gehen einfach hinein in das Zimmer, wo wir zwar den Vornamen der Kinder kennen und ungefähr wissen, woran die kleinen Patienten leiden. Aber trotzdem haben wir keine Ahnung, was uns dort erwartet. Deshalb fahren wir unsere feinen Antennen aus und legen als Clowns los. Wir spielen also mit dem, was da ist, und laden Kind und auch Eltern ein mitzuspielen. Das kann dann etwas ganz Poetisches, Leises, Trauriges oder etwas ganz Krawalliges sein, weil bei Kindern vielleicht gerade Energie da ist, die mal raus muss.
Das ist wahrscheinlich oft ein schmaler Grat zwischen Traurigkeit und Heiterkeit…
Es gibt immer wieder Menschen, denen man zeigen muss, dass der Clown nicht nur diese klassische Zirkusnummer drauf hat. Natürlich kann man über diese Figur lachen, aber eben auch mit ihm. Und man kann auch mit ihm weinen. Das alles ist möglich. Ich würde sagen, der Clown hat auch etwas ganz Kindliches, auch deshalb ist er gerade Kindern und alten Menschen so nah.
Was meinen Sie genau?
Er stolpert über seine eigenen Füße, im übertragenen wie im wörtlichen Sinne, er scheitert, steht wieder auf – und macht weiter. Eben so, wie Kinder es auch tun. Sie können ja noch gut scheitern, sie haben noch kein Problem damit, mal auf die Nase zu fallen und wieder aufzustehen. Diese Probleme, dass man davor dann Angst hat, kommen erst später im Leben.
Wie fühlt sich das an, wenn man in solch ein Zimmer kommt und vielleicht weiß, dass dieser kleine Mensch, der da liegt, möglicherweise bald sterben muss?
Eine ganz wichtige Komponente ist sicher, dass wir Clown-Doktoren zu zweit sind. Das ist auch in unserem Ehrenkodex so festgehalten: Wir gehen nicht alleine auf Visite. Das heißt, man hat immer auch die Möglichkeit, erst einmal mit dem Partner zu interagieren, das kann für das Kind und auch für einen selbst entlastend sein. Nichts läuft nach Plan und manchmal hat der Kollege eben den besseren Kontakt zum Kind. Wichtig ist da logischerweise auch, dass wir nicht nur Antennen für das Kind und die Eltern, sondern eben auch für den Kollegen haben.
Die Nase als „Schutzmaske”
Wie bereiten Sie sich auf das vor, was Sie in den Zimmern erwartet?
Durch die sogenannte „Übergabe“, die ja auch das Pflegepersonal beim Schichtwechsel macht, wissen wir zuvor, welche Kinder in dem jeweiligen Zimmer liegen und wie es ihnen aktuell geht. Wir unterliegen, wie auch das medizinische Personal, der Schweigepflicht. Während dieses Gesprächs sitzen wir zwar im Kostüm da, haben unsere Clownsnasen aber nicht auf. Ich bin, wenn ich die Geschichte eines Kindes höre, dann oft sehr bewegt und muss dreimal durchatmen, weil ich weiß, dass das hier für alle Beteiligten gerade eine ganz schwierige Situation ist. Bin ich dann im Zimmer, ist die Nase für mich ein Stück weit Schutz, meine kleine Schutzmaske also. Und auch weil ich nicht als Privatperson hineingehe, sondern als Kunstfigur Frau Doktor Karamella, relativiert sich die Situation hierdurch ein wenig. Das Gefühl, dieses Dramatische, das ist natürlich nicht weg, aber vielleicht ein bisschen zur Seite geschoben.
Welche Geschichte ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Es gibt ein Mädchen, die Patientin in der Gießener Kinderklinik war, als ich gerade Clown-Doktorin geworden war, vor so acht oder neun Jahren muss das gewesen sein. Sie lag auf der Herzstation und hat auf ein Spenderherz gewartet. Da war klar, dass sie irgendwann eine Transplantation braucht. Sie war damals sieben Jahre, und irgendwann hat sie dann tatsächlich glücklicherweise ein Herz bekommen, und sie wurde aus dem Krankenhaus entlassen. Mittlerweile ist sie sechzehn oder siebzehn Jahre, und Teenager und Clowns, das ist natürlich nicht immer so die ganz große Liebe. Aber wenn sie uns heute während einer ihrer Routinechecks im Krankenhaus sieht, läuft sie mir entgegen wie ein kleines Kind. Natürlich weiß sie heute, dass ich nicht nur Frau Doktor Karamella bin. Ich sehe sie vielleicht ein oder zwei Mal pro Jahr, und jedes Mal ist es so berührend, weil ich für sie offensichtlich immer noch die ganz schöne Erinnerung bin aus ihrer sonst sehr schweren Zeit. Solche Erlebnisse bestätigen mich in meiner Überzeugung, dass hier eine ganz tiefe Bindung entsteht zwischen uns Clowns und den Kindern.
Sie und ihre Kollegen sind ausgebildete, professionelle Künstler. Worauf kommt es an, wenn man ein guter Clown-Doktor sein will?
Wesentlich ist es, ganz feine Antennen für das zu haben, was um mich herum passiert. Es ist also hohe Sensibilität gefordert. Es geht dabei natürlich um die Kinder, aber eben auch darum, dass wir den Ärzten nicht in die Quere kommen und uns allen auf der Station gegenüber richtig verhalten. Da ist es natürlich auch wichtig, dass man eine hohe Empathiefähigkeit hat und dass man gut im Team spielen kann. Viele Künstler sind Solo-Performer, die stehen auf der Bühne und machen dort eine super Nummer, auch im Bereich Improvisation. Aber im Team ist das einfach noch einmal eine andere Geschichte. Gerade weil der Kollege, wenn er in das Zimmer hereinkommt, vielleicht gerade eine ganz andere Idee hat. Wir können und wollen vor den Kindern natürlich nicht anfangen, miteinander zu diskutieren, wessen Idee gerade die bessere ist. Da braucht es ein feines Radar. Und deshalb gibt es bei den Clown-Doktoren auch eine sehr strenge Ausbildung, mit Casting vor einer Jury und allem, was sonst so dazugehört.
Clown in einer Klinik werden: Klappt das auf Anhieb?
Es gibt ganz tolle Clownskollegen, die nach ein oder zwei Terminen in der Klinik sagen: „Ich kann diese Arbeit nicht machen! Ich habe das Clowns-Handwerkszeug und ich weiß, dass ich das gut kann, aber mich überfordert diese Situation in der Klinik.“ Beim Improvisieren in den Zimmern sind uns die Patienten auch physisch sehr nah, auf einer klassischen Bühne hingegen sitzt das Publikum weiter weg. Hier im Krankenhaus gibt es auch nicht automatisch Applaus. Und man muss als Clown auch ständig damit rechnen, dass der Auftritt in einem Zimmer einmal nicht so gut funktioniert. Und natürlich sind die Situationen, in die wir hineinspringen, grundsätzlich emotional nicht immer einfach, eben oft auch traurig, und auch nicht immer mit Happy End. Manchmal leider sterben die Kinder, die wir besuchen.
Mit welcher Nummer können Sie bei Kindern am verlässlichsten punkten?
Mit dem Gegen-die-Tür-Laufen. Das ist der Klassiker. Wenn man aus dem Zimmer geht, muss man bis zum Schluss noch zum Kind schauen, sich verabschieden und sich freuen, und dann eben volle Pulle gegen die Tür laufen. Das kann man nicht bei den ganz Kleinen machen, die erschrecken sich dann, aber bei denen ab vier Jahren. Das ist immer ein Abgang mit Lacher. Immer. Und das muss man als Clown können, sonst tut man sich richtig weh.
Im in Wiesbaden eingetragenen Verein „Die Clown Doktoren“, dem auch Minke Bach angehört, engagieren sich derzeit 29 Clown-Doktoren, die im Rhein-Main-Gebiet, in Mittelhessen und in Rheinland-Pfalz jährlich 60.000 Kinder in zwölf Kinderkliniken und acht Senioreneinrichtungen regelmäßig besuchen. In der Uniklinik Marburg sind sie montags und mittwochs, in der Uniklinik Gießen dienstags und donnerstags unterwegs.
Der Verein finanziert sich ausschließlich durch Spenden. Wenn Sie die Arbeit von Minke Bach und ihren Kollegen unterstützen möchten, können sie dies hier tun.