Unter einer akuten Nasennebenhöhlen-Erkrankung hat fast jeder Mensch schon irgendwann einmal gelitten. Die chronische Form ist deutlich seltener, aber noch immer eine der häufigsten chronischen Atemwegserkrankungen. Laut Schätzungen leiden drei bis elf Prozent der Menschen in Deutschland daran.
Die Kennzeichen: Druck und Schmerzen im Gesicht, ständiger Schleimfluss aus der Nase oder in den Rachen, Einbußen beim Riechen und Schmecken. Neben seit Jahrzehnten erprobten konservativen und operativen Therapien gibt es seit Kurzem auch eine Behandlungsmöglichkeit mit Antikörpern.
Diese sei sehr vielversprechend, sagt Boris A. Stuck, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Marburg. Viele Expert:innen in seiner Abteilung sind spezialisiert auf dem Gebiet der komplexen Operationen von chronischen Nasennebenhöhlenentzündungen.
Mit dem RHÖN-Gesundheitsblog spricht der Experte, der seit 15 Jahren verantwortlicher Autor der vielbeachteten Leitlinie für die entzündlichen Erkrankungen der Nasennebenhöhlen ist, über das Krankheitsbild, Unterformen der Erkrankung – und neue Therapiemöglichkeiten.
Herr Professor Stuck, woran leiden Betroffene mit einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung am meisten?
Die Beschwerden können von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein. Typisch ist zum Beispiel der Gesichtsschmerz. Auch eine Nasenatmungsbehinderung kommt häufig vor. Hier ist die Nase ständig verstopft. Viele Menschen erleben auch, dass vorne aus der Nase Sekret heraus- oder hinten im Rachen hinunterläuft. Auch die Riechminderung gehört zu den häufig auftretenden Beeinträchtigungen. Welches Symptom bei einem bestimmten Betroffenen das dominante ist, hängt von der jeweiligen „Unterform“ der Nebenhöhlenentzündung ab.
Welche Typen gibt es da?
Es gibt zwei Unterformen. Das eine ist die chronische Nebenhöhlenentzündung, die Nasen-Polypen bildet. Bei der anderen findet diese Polypenbildung nicht statt. Beide spielen sich in den Nasennebenhöhlen ab. An Riechminderung und Nasenatmungsminderung leiden vor allem jene Betroffenen, bei denen Polypen vorkommen. Sie haben in der Regel insgesamt mehr Beschwerden. Je mehr Polypen sich in die Nasenhaupthöhlen hineindrängen, desto weniger Platz gibt es. Die Atmung wird erschwert, und das Riechen verschlechtert sich.
Kann man der Entstehung der Erkrankung vorbeugen?
Nein, tatsächlich kann man da als Betroffener nichts dagegen tun. Diese Polypen sind ein Anzeichen für eine chronische Entzündung der Schleimhaut, die plötzlich aufquillt, also dicker wird und glasige Ausstülpungen bildet. Das bedeutet auch, dass sich die Nebenhöhlen immer mehr mit der entzündlichen Schleimhaut füllen. Irgendwann ragen sie geradewegs in die Nase von innen hinein, wodurch man sie sehen kann. Zum besseren Verständnis: Die Nasennebenhöhlen sind mit Schleimhaut ausgekleidete Hohlräume, die ständig belüftet werden müssen.
Kommen die meisten Betroffenen rechtzeitig zu ihnen, oder eher zu spät?
Ein Zu-Spät gibt es hier eigentlich selten. Mit anderen Worten: Durch die chronische Nebenhöhlenentzündung geht in der Regel nichts „kaputt“. Somit ist eine Behandlung nicht zeitkritisch. Aber natürlich sollte jeder zum Arzt, der Beschwerden hat. Ziel muss es schließlich sein, die Probleme loszuwerden. Das Einzige, was dauerhaft in Mitleidenschaft gezogen werden kann, ist allerdings das Riechen. Das Unvermögen normal zu riechen ist oftmals durch eine Schwellung bedingt und durch die Verlegung der sogenannten Nasenhaupthöhle. Einfach gesagt: Die Riechstoffe kommen nicht mehr dorthin, wo sie hin sollen. Verschwindet die Schwellung, oder sind – bei der chronischen Nebenhöhlenentzündung – die Polypen weg, setzt das Riechen in der Regel wieder ein. Es gibt aber auch Situationen, in denen es dauerhaft verlorengeht. Virale oder chronische Entzündungen der Nase können zum bleibenden Riechverlust führen. Warum dieser bei manchen Patienten auftritt und bei anderen nicht, ist allerdings noch nicht geklärt.
Wann sollte man einen Experten aufsuchen?
Betroffene sollten dann zum Arzt kommen, wenn die Beschwerden derart ausgeprägt sind, dass es ihre Lebensqualität mindert. Die meisten gehen zunächst zum HNO-Arzt, der mit einem Endoskop die Nase untersucht und dann ein bildgebendes Verfahren wie eine CT der Nebenhöhlen veranlasst und dann schließlich die Diagnose stellt. Sollte ein anschließender konservativer Therapieversuch fehlschlagen, kommen viele Betroffene dann zu uns in die Klinik.
Wie wird die chronische Nasennebenhöhlenentzündung grundsätzlich behandelt?
Ein Standardverfahren ist, dass man die Nase mit einer Kochsalzlösung spült. Das lindert die Symptome. Das wichtigste Therapeutikum ist kortisonhaltiges Nasenspray, das die Entzündung und auch die Polypen zurückdrängt.
Wie sind die Erfolgsaussichten?
Das Spray und die Spülungen wirken in der Nase selbst ziemlich gut, und auch an den Zugängen zu den Nebenhöhlen. Allerdings kommt man mit diesen Mitteln nicht in die Nebenhöhlen hinein. Das ist der Grund dafür, weshalb man in manchen Fällen die Beschwerden nicht ganz in den Griff bekommt.
Was ist, wenn diese konservative Therapie anhand von Spülung und Kortison-Nasenspray nicht anschlägt?
Dann ist in der Regel eine Operation der Nasennebenhöhlen der nächste Schritt. Ziel dieser ist, das Abfließen des Sekrets aus den Nasennebenhöhlen wieder zu ermöglichen. Unter anderem wird das dadurch erreicht, dass wir die Polypen bzw. die erkrankte Schleimhaut entfernen und die Öffnungen zu den verschiedenen Höhlen wieder erweitern. Durch derartige Maßnahmen erhalten wir bei der Mehrzahl der Betroffenen wieder Kontrolle über das Krankheitsgeschehen.
Wie aufwändig ist die OP?
Das ist in der Regel ein Routine-Eingriff. Operationen der Nebenhöhlen gehören zum Standard-Repertoire im HNO-Bereich. Früher mussten Schnitte im Gesicht vorgenommen werden, heute läuft das alles direkt über die Nase anhand von Winkeloptiken.
Was ist, wenn auch solch eine Operation nicht hilft?
Im Moment haben neue Medikamente zur Behandlung der Polyposis, also der chronischen Nebenhöhlenentzündung mit Polypen, große Aufmerksamkeit erlangt – und zwar zurecht. Im Fokus stehen all jene Patienten, die auf die erwähnte konservative Therapie nicht anschlagen und bei denen auch eine oder mehrere Operationen keinen dauerhaften Erfolg bringen, weil die Polypen immer wieder zurückkommen.
Gibt es neue Behandlungsmöglichkeiten?
Mittlerweile stehen neue Präparate zur Verfügung, die alle im vergangenen Jahr zugelassen wurden und sehr gute Dienste leisten. Es handelt sich um Biologika, also Antikörper, die zu einer erheblichen Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten geführt haben. Das ist gerade insofern etwas Besonderes, als es über Jahrzehnte keine Innovationen hinsichtlich der Therapie der chronischen Nasennebenhöhlenentzündung gegeben hat.
Welche Erfahrung haben Sie bisher machen können?
Wir behandeln regelmäßig Patient:innen mit diesen neuen Biologika. Ihre Wirksamkeit ist eindrucksvoll. Auch bei Patienten mit ausgeprägten Polypen und mehrfachen Voroperationen kann man häufig durch die regelmäßige Injektion dieser Antikörper eine weitgehende Beschwerdefreiheit erreichen. Betonen sollte man aber auch, dass die althergebrachten Therapien bei den allermeisten Betroffenen gut ansprechen, die neuen Therapien also gar nicht notwendig sind. Dies ist auch deshalb wichtig, da diese Antikörper regelmäßig und vermutlich langfristig gespritzt werden müssen und die Therapie mit hohen Kosten verbunden ist.
Ihr Experte für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde:
Professor Dr. Boris A. Stuck
Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Marburg