Impfungen können Leben retten. Das ist unbestritten. Doch welche Immunisierungen sind besonders wichtig? Und wer sollte sich gegen was impfen lassen?
Dr. Georg Knoblach ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Betriebsmedizin und Sozialmedizin sowie Betriebsarzt am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt. Im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog beantwortet er alle wichtigen Fragen zum Thema. Es geht um wiederkehrende Impfungen wie die gegen Influenza und die gegen das Coronavirus, aber auch um Reiseimpfungen, und all jene, die die sogenannte Grundimmunisierung versprechen.
Herr Dr. Knoblach, zunächst einmal die Frage: Welche Impfungen sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten?
Ganz wichtig sind alle jene Impfungen, die uns Menschen eine sogenannte Grundimmunisierung verleihen. Da wäre diejenige gegen Wundstarrkrampf (Tetanus), die gegen Diphterie, die gegen Keuchhusten (Pertussis) und die gegen Kinderlähmung (Polio). Tetanus, Diphterie und Keuchhusten sollten alle zehn Jahre aufgefrischt werden.
Wichtig ist, dass die Impfungen im Impfpass dokumentiert sind.
Die genannte Impfung gegen Tetanus ist ziemlich bekannt. Warum?
Sie ist vor allem wichtig, da eine weiter zurückliegende Impfung schlimme Folgen haben kann. Oft genügt ein kleiner Riss in der Haut, zum Beispiel während der Gartenarbeit. Dann kann ein Wundstarrkrampf ausbrechen, der praktisch immer tödlich ist. Ich kann von drei Fällen berichten, die ich erlebt habe: Alle betroffenen Personen waren geimpft, wobei die Impfung länger als 20 Jahre zurückgelegen hat, also praktisch keine Immunisierung mehr vorhanden war. Ein Herr hatte sich am Dorn einer Rose gestochen, eine Dame eine Schürfverletzung zugezogen, auch bei Gartenarbeiten.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Auffrischungsimpfung gegen Tetanus alle zehn Jahre.
Und um was geht es bei Diphterie?
Hier produziert der Erreger ein Gift, das Organe wie Leber oder Herz dauerhaft schädigen kann. Fälle von Diphterie haben besonders in den vergangenen Jahren zugenommen, wobei die Erreger teilweise wohl aus dem Ausland eingeschleppt worden sind.
Der Keuchhusten dürfte vielen Menschen wohl auch ein Begriff sein
Hierbei handelt es sich um eine sogenannte Riegelimpfung. Früher hat man den Keuchhusten als Kinderkrankheit bezeichnet, mittlerweile sind aber hauptsächlich Erwachsene betroffen. Sie leiden scheinbar an einem leichten Reizhusten, wobei es tatsächlich um einen Keuchhusten geht. Impfen lassen sollte man sich hier, wie gesagt, auch alle zehn Jahre, damit man diesen Keuchhusten nicht auf andere, ungeschützte Menschen überträgt. Besonders anfällig für Ansteckungen sind Menschen, die krank sind, also zum Beispiel Patientinnen und Patienten mit Krebs, aber auch Säuglinge. Vor zwei Jahren habe ich erlebt, wie ein Säugling sich infiziert hat und sterben musste. Und das, obwohl die engen Angehörigen alle geimpft waren. Das Kind muss sich also irgendwo sonst angesteckt haben.
Welche Bedeutung hat Kinderlähmung heute noch?
Kinderlähmung hat weltweit tatsächlich zugenommen. Dagegen hat es früher die Schluckimpfung gegeben. Injiziert wurde damals ein abgeschwächter sogenannter Impfkeim. Aber weil sich Ungeimpfte an diesem Keim anstecken können, wird diese Schluckimpfung in Europa seit einigen Jahren nicht mehr verabreicht. Stattdessen gibt es einen künstlichen Impfstoff, der gespritzt wird, also ähnlich denen gegen Tetanus und Diphterie. In den vergangenen Jahren ist das Impf-Polio-Virus im Abwasser von mehreren großen Städten wie New York City und London, aber auch in Israel nachgewiesen worden. Menschen, die nicht gegen Polio geimpft sind, können sich an solchen Orten also anstecken. Zu den Risikogebieten, in denen man sich mit dem echten Wildkeim anstecken kann, gehören Afghanistan, Pakistan und mehrere afrikanische Staaten. Reist man in solche Gebiete, sollte man sich also unbedingt impfen lassen.
Ich empfehle grundsätzlich, sich mit seinem Hausarzt oder einer Reisemedizinerin auszutauschen, welcher Impfschutz sinnvoll ist. Grundsätzlich sollte jeder Mensch in seinem Leben mindestens vier Polio-Impfungen als Grundschutz erhalten haben.
Masern, Röteln, Windpocken
Jeder, der nach 1970 geboren ist, sollte mindestens einmal gegen Masern geimpft sein.
In Deutschland gibt es keinen Impfstoff, der nur gegen Masern hilft, stattdessen solche, die gleichzeitig gegen Masern, Mumps und Röteln eingesetzt werden. Die neuesten Impfstoffe sogar auch noch gegen Windpocken. Röteln ist grundsätzlich eine eher harmlose Erkrankung. Bei Schwangeren ist das aber anders, da kann eine Infektion das Kind schädigen. Hier ist also auf eine Impfung zu achten.
Windpocken hat früher jedes Kind gehabt, mittlerweile hat diese „Durchseuchung“ allerdings offenbar nachgelassen, was eine Impfung sinnvoll macht. Ich rate allen Eltern, die Thematik mit einer Kinderärztin oder einem Kinderarzt ausführlich zu besprechen.
Hepatitis B
Das ist mittlerweile eine Routine-Impfung bzw. Regel-Impfung bei Kindern. Als Hintergrund, weil es immer wieder vergessen wird: Hepatitis B ist eine der häufigsten Geschlechtskrankheiten. Übertragen wird sie über Blut und andere Körperflüssigkeiten, also zum Beispiel während des Geschlechtsverkehrs. Bricht sie aus, werden rund zehn Prozent der Betroffenen chronisch krank, von denen etwa zehn Prozent sterben. Schon deshalb ist es also sinnvoll, dass man diese Impfung ins normale Impfprogramm aufgenommen hat. Bis zum 18. Lebensjahr übernimmt die Krankenkasse die Kosten.
Hier empfehle ich auch eine dreimalige Impfung, im Abstand von sechs Wochen und sechs Monaten. Die Ständige Impfkommission geht davon aus, dass dann ein lebenslanger Schutz gegeben ist. Eltern sollten dafür sorgen, dass ihre Kinder gegen Hepatitis B geimpft werden.
Hepatitis A
Hepatitis A wird durch Stuhl übertragen und führt im Allgemeinen auch zu Durchfällen. Die Erkrankung war in weiten Teilen Deutschlands bis in die Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts endemisch, und ist oft durch Trinkwasser verbreitet worden. Was die Problematik erhöht, denn ein Virus aus dem Wasser herauszubekommen, ist sehr schwierig bis unmöglich. Öfter kommt es auch vor, dass das Virus ins Land eingeschleppt wird, zum Beispiel über tiefgefrorene Erdbeeren. Klar ist also: Nicht alle Viren werden durchs Einfrieren abgetötet. Grundsätzlich gilt: Für gesunde Menschen ist Hepatitis A eher harmlos, problematisch hingegen für Schwangere.
Die gute Nachricht lautet: Wer von Hepatitis A einmal befallen war, ist lebenslang immun. Alle anderen können sich anhand zweier verschiedener Impfungen schützen lassen. Der Schutz tritt 14 Tage nach der ersten Impfung ein. Die zweite Immunisierung erfolgt sechs Monate oder maximal drei Jahre später. Der Schutz hält sehr lange, wahrscheinlich zwanzig Jahre, oder sogar länger.
Was ist eigentlich mit wiederkehrenden Impfungen, wie der gegen Influenza? Halten Sie solche Impfungen für wichtig?
Ja, gerade auch, um eine Grippe nicht weiterzutragen und andere Menschen zu schädigen. Das ist schon deshalb schnell passiert, weil viele, die andere anstecken, von der eigenen Erkrankung überhaupt nichts mitbekommen. Das liegt daran, dass wir uns ja nicht ständig auf Grippe testen lassen, wie das während der Corona-Pandemie der Fall war. Viele Menschen gehen davon aus, dass sie lediglich einen leichten Schnupfen haben. In Wirklichkeit leiden sie aber an einer handfesten Influenza mit großem Ansteckungspotenzial, gerade im Hinblick auf abwehrgeschwächte Menschen.
Wie oft sollte man sich denn gegen Influenza impfen lassen?
Ich empfehle, das jedes Jahr zu tun. Einfach weil sich das Virus ständig verändert. Immer wieder gibt es auch Influenza-Epidemien, die heftig sind. Ich erinnere mich da ans Jahr 2018, als es in Oberfranken, wo ich auch viel unterwegs bin, mehrere Hundert Todesfälle gegeben hat, die auf die Influenza zurückzuführen sind. Und da waren auch Teenager dabei. Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sollten sich schon aus Verantwortung gegenüber ihren Patientinnen und Patienten gegen Influenza impfen lassen. Bin ich selbst abwehrgeschwächt, zum Beispiel durch eine Erkrankung wie Diabetes, Rheuma, Schuppenflechte oder Multiple Sklerose, ist eine regelmäßige Impfung gegen Influenza besonders anzuraten. Wichtig ist auch zu wissen, dass das eigene Immunsystem mit zunehmendem Alter schwächer wird.
Deshalb empfiehlt die STIKO, dass sich Menschen ab dem 60. Lebensjahr regelmäßig gegen Influenza impfen lassen.
Und was ist mit der Impfung gegen das Coronavirus? Und wie ist aktuell die Resonanz?
Da lauten meine Empfehlungen ähnlich. Wer an chronischen Krankheiten leidet, die die körpereigene Abwehr negativ beeinflussen, dem rate ich zu einer Impfung. Und auch Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sollten sich für eine Immunisierung entscheiden.
Die Resonanz ist sehr gering. Wir haben im Moment wenige Rückmeldungen von Menschen, die sich gegen Covid impfen lassen möchten. Ein administratives Problem ist diesbezüglich noch immer die geringe Haltbarkeit des Impfstoffes, nachdem er aufgetaut worden ist. Zudem gibt es derzeit nur große Ampullen mit jeweils fünf Dosen, die nach Anbrechen sofort verimpft werden müssen. Das heißt, dass die zu impfenden Personen innerhalb eines Tages hier bei uns aufschlagen müssen, was öfter ein logistisches Problem darstellt.
Medial ist in letzter Zeit auch die Gürtelrose häufiger thematisiert worden…
Zunächst eine kurze Erklärung: Oftmals ist es so, dass Stress dafür sorgt, dass in Nervenzellen vorzufindende Windpocken-Viren eine Gürtelrose auslösen. Sie kann sehr schmerzhaft sein und chronisch werden. Schon deshalb kann ich eine Impfung gegen Gürtelrose mit dem Shingrix-Impfstoff empfehlen. Gerade auch Menschen, die in ihrer Abwehr geschwächt sind, sollten sich dafür entscheiden. Einfach weil bei solchen Menschen die Wahrscheinlichkeit für das Ausbrechen einer solchen Erkrankung höher ist.
Wir sprechen hier von zwei Impfungen im Abstand von zwei Monaten. Es handelt sich um einen Totimpfstoff, also kein lebendes Virus. Im vergangenen Jahr habe ich immer wieder vernommen, dass die Impfung in gewissen Kreisen schlechtgeredet worden ist, was ich nicht verstehen kann. Behauptet worden ist, dass die Gürtelrose durch die Impfung erst recht ausbrechen könnte. Genau das ist anhand von Studien allerdings schon mehrfach widerlegt worden.
Eine Impfung gegen Pneumokokken, für wen kann die sich lohnen?
Hierbei handelt es sich um eine Impfung gegen Lungenentzündungen. Auch hier rate ich besonders all jenen Menschen, die eine geschwächte Immunabwehr haben, zur Impfung. Sie schützt gegen eine bakterielle Lungenentzündung. Während der Corona-Pandemie dürften viele Menschen nicht am Coronavirus gestorben sein, sondern an Lungenentzündungen, die sich quasi auf den Virusinfekt „gelegt“ hat. So ähnlich soll es auch während der Spanischen Grippe nach dem Ersten Weltkrieg gewesen sein. Ein neuer Impfstoff, den es seit Kurzem gibt, deckt zwanzig „Unterstämme“ von Bakterien ab, ist also sehr effektiv.
Hier reicht eine Impfung für den Rest des Lebens. Viele Menschen, die älter als 30 Jahre alt sind, sind in ihrer Jugend nicht gegen Pneumokokken geimpft worden, und sollten das entsprechend nachholen.
Und dann wäre da noch FSME. Gegen was genau schützt die FSME-Impfung?
Früher hat es Landkarten gegeben, in denen „Zeckengebiete“ markiert waren. Mittlerweile kann man allerdings davon ausgehen, dass es für alle Menschen, die in Deutschland leben, sinnvoll ist, sich gegen FSME impfen zu lassen. Wichtig ist auch zu wissen: Die Zecken halten sich weniger in Bäumen, als vielmehr im Gras auf. Ich rate grundsätzlich allen Menschen, die häufig in der Natur sind, zu einer Impfung gegen FSME. Auch hier kann ich ein Gespräch mit der Hausärztin oder dem Hausarzt empfehlen. Die kennen sich in der Region natürlich gut aus und können einschätzen, ob eine Impfung wie diese sinnvoll ist.
Durch die Zecke können zwei Erkrankungen übertragen werden: Zunächst wäre da die Borreliose, die die gefürchtete Wanderröte auslösen kann. Folgen können dann Gelenkbeschwerden und Nervenentzündungen sein. Gegen all das hilft die Impfung leider nicht. Hier sollte dann mit Antibiotika behandelt werden. Helfen kann die FSME-Impfung aber gegen eine bestimmte Art von Hirnhautentzündung (Meningitis). Aber selbst wenn man von einer infizierten Zecke gebissen wird, tritt diese Entzündung glücklicherweise nur relativ selten auf. Wenn sie allerdings ausbricht, ist sie oft massiv und lässt die betroffene Person in vielen Fällen mit schwerwiegenden Defekten zurück.
Was halten Sie von Reiseimpfungen?
Hier würde ich allen Menschen grundsätzlich empfehlen, mit ihrem Hausarzt und einer Reisemedizinerin zu sprechen. Allgemein lässt sich schwer sagen, welche Impfungen vor dem Antritt einer Reise sinnvoll sind. Einfach deshalb, weil es sehr darauf ankommt, in welche Region der Welt man sich begibt. Manche Länder schreiben Touristen zudem bestimmte Impfungen vor. Ein Beispiel ist da die Impfung gegen Gelbfieber, die viele Staaten in Afrika und Südamerika zur Pflicht gemacht haben. Ähnliche Regelungen gibt es auch im Hinblick auf Polio. Eine gute Nachricht ist, dass die Krankenkassen meiner Beobachtung nach sehr kulant geworden, was die Kostenübernahme bei Reiseimpfungen angeht.
Ihr Experte für Impfungen:
Dr. Georg Knoblach
Facharzt für Allgemeinmedizin, Betriebsmedizin und Sozialmedizin sowie Betriebsarzt am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt