Beim Sport kann jeder Lebensretter sein!

Beim Sport kann jeder Lebensretter sein!

Das Projekt „Lebensrettung beim Sport” will Menschen dafür gewinnen, im Fall eines medizinischenlls beherzt einzugreifen – und Betroffene per Herzdruckmassage und Defibrillator sofort zu reanimieren. Initiator und Koordinator ist Dr. Mesut Yenigün, Neurologe und Oberarzt am Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Gießen. Sein Kollege Dr. Pascal Bauer unterstützt als Sportkardiologe das Projekt und will neben der Reanimationsschulung durch Vorträge und Untersuchungen dafür sorgen, dass möglichst viele Zwischenfälle beim Sport vermieden werden.

Mesut Yenigün war selbst dabei, als es passierte. In der 50. Minute eines Fußballspiels brach ein junger Fussballspieler zusammen und musste reanimiert werden. Die gute Nachricht: Durch sein schnelles Eingreifen ist es dem Arzt gelungen, dem Bewusstlosen das Leben zu retten. Nach zehn Minuten kam der Rettungsdienst und hat die Behandlung übernommen.

Für Yenigün war es ein einschneidendes Erlebnis. Eine Internet-Recherche über plötzlichen Herzstillstand im Breitensport habe zudem ergeben, dass ähnliche Ereignisse ziemlich oft vorkommen, sagt Yenigün im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog. 900 Todesfälle gebe es hierzulande jedes Jahr. Für ihn sei das ein Grund gewesen, das Projekt „Lebensrettung beim Sport – Reanimationsschulungen im Sportkreis Gießen” zu starten.

Also kontaktierte er den Kreisfußballwart, den Sportamtsleiter, die Gießener Johanniter, die Volksbank Mittelhessen und Zoll Medical, eine Firma, die Defibrillatoren vertreibt. Schon kurze Zeit später sei man bereit gewesen, die Fußballvereine in Sachen Reanimation und im Umgang mit Defibrillatoren zu schulen, sagt Yenigün. Im August starten die ersten Schulungen.

Ziel ist es, möglichst viele Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Sie müssen in einer Situation, in der es um Leben oder Tod gehe, sofort helfen können. Dass durch beherztes Eingreifen von Passanten Schlimmes verhindert werden kann, glaubt auch Dr. Pascal Bauer, Kardiologe und Sportmediziner am UKGM. Er unterstützte seinen Kollegen Dr. Yenigün von Anfang an fachlich und erzählt, dass das Projekt neben den wichtigen Reanimationsschulungen auch die Prävention von kardialen Zwischenfällen durch entsprechende Schulungen der Sportler beinhalte.

Es gehe ihm darum, dafür zu sorgen, dass sich Sportler nicht selbst gefährden, sagt er im Gespräch mit dem RHÖN-Gesundheitsblog. Sie sollen lernen, ihren Körper gut einzuschätzen – um die eigene Leistungsfähigkeit nicht zu sehr zu strapazieren.
„Die Spieler müssen lernen zu entscheiden: Wann spiele ich, und wann nicht? Warum spiele ich nicht mit Fieber, oder wenn ich eine Antibiotika-Therapie habe? Wie lange brauche ich, bis ich mich regeneriert habe?”, sagt Dr. Bauer.

Er weiß auch, dass viele plötzliche Herztode beim Sport durch unerkannte Herzerkrankungen verursacht werden. Zudem spiele die Unkenntnis, wann Gefahr drohe und oftmals auch die Unvernunft der Sportler eine entscheidende Rolle. „Ein schlechter Trainingszustand, eine lange Belastungsdauer und eine hohe Belastungsintensität sind mit einem erhöhten Risiko für einen plötzlichen Herztod verbunden”, sagt Dr. Bauer. Zudem seien Männer gefährdeter als Frauen, insbesondere solche, die älter sind als 35 Jahre. Diese Risikogruppen ließen sich immer wieder identifizieren, weshalb Dr. Bauer ihnen vor den Wettkämpfen eine ärztliche Untersuchung empfiehlt.

Falls eine Wiederbelebung trotzdem notwendig sein sollte, ist die Botschaft eindeutig, sagt der Arzt: „Prinzipiell kann jeder helfen, man muss keine Angst haben!” Breche jemand zusammen, atme nicht normal und sei nicht ansprechbar, sollte man als Passant bei Bedarf unverzüglich einer Herzdruckmassage starten. Derjenige, der da liege, sei ohne Hilfe „erst einmal tot”, formuliert der Sportmediziner. Und: „Schlimmer als tot geht nicht! Man kann ihm nur helfen! Jede Minute, die verstreicht, ohne dass man aktiv handelt, vermindert rapide die Chance auf ein Überleben des Betroffenen. In Deutschland liegt die Rate der Laienreanimation vor Eintreffen des Notarztes bei unter 40 Prozent.

Bis der Rettungsdienst vor Ort ist, dauert es in der Regel mindestens sieben bis acht Minuten. In dieser Zeit kommt es ohne eine Wiederbelebung zu irreversiblen Gehirnschäden, die Chancen auf ein Überleben sinken drastisch. Neben der bekannten Herzdruckmassage lassen sich heutzutage mit Hilfe von halbautomatischen Defibrillatoren (AEDs) die Überlebenschancen im Falle eines Herzstillstandes deutlich erhöhen. Mit Hilfe dieser können Notfallzeugen eine frühzeitige sogenannte Defibrillation durchführen, sollte diese notwendig sein.

In den ersten drei Minuten erhöht sie die Überlebenschance auf über 70 Prozent, sagt Dr. Bauer: Man muss nur die Elektroden des Geräts auf den Brustkorb des Bewusstlosen kleben. „Die modernen Geräte sind schlau, sie sprechen mit dem Lebensretter, beruhigen diesen oder fordern ihn auf, zum Beispiel schneller oder tiefer bei der Herzdruckmassage zu drücken. Sie erkennen den Herzrhythmus des Patienten und signalisieren verbal, wann eine elektrische Schockabgabe durchgeführt werden soll”, erklärt der Sportmediziner. Mit ihnen sei man in der Lage, nicht nur den Patienten am Leben zu erhalten, sondern möglicherweise sogar die Ursache des Herzstillstands zu beheben, zum Beispiel ein Kammerflimmern.

Dass solche Defibrillatoren an möglichst vielen öffentlichen Standorten angebracht werden, sei wichtig, sagen Dr. Yenigün und Dr. Bauer. Die Volksbank Mittelhessen wird die Vereine nach Antragstellung unterstützen, ebenso die Stadt Gießen und der Sport- und Fussballkreis Gießen. Die Deutsche Herzstiftung stellt Infomaterial zur Verfügung. Und der Hessische Fußballverband will dafür sorgen, dass das Angebot von den vielen Vereinen im Land auch angenommen wird.

„Das Ganze läuft jetzt an!“, sagt Dr. Yenigün. Und auch Dr. Bauer ist sich sicher, seinem Ziel schon ein Stück näher gekommen zu sein: „Wir wollen in der Bevölkerung das Bewusstsein schaffen, dass jeder Lebensretter sein kann! Durch die Sportvereine lassen sich viele Menschen erreichen und der Sport kann hier eine Vorreiterrolle übernehmen.“

 

Ihre Experten für Reanimationsschulungen:

Dr. med. Mesut Yenigün

 

Dr. med. Mesut Yenigün,

Oberarzt der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Gießen 

 

 

Dr. med. Pascal Bauer

 

Dr. med. Pascal Bauer

Oberarzt der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikum Gießen und Marburg am Standort Gießen

 

 

 

Basismaßnahmen zur Verwendung automatisierter externer Defibrillatoren (AED) für Laien

Basismassnahmen und die Verwendung von AED (Grafik: European Resuscitation Council; publiziert 11/2015 durch German Resuscitation Council, c/o Universitätsklinikum Ulm, Sektion Notfallmedizin)
Basismassnahmen und die Verwendung von AED (Grafik: European Resuscitation Council; publiziert 11/2015 durch German Resuscitation Council, c/o Universitätsklinikum Ulm, Sektion Notfallmedizin)